Düsseldorf Mit der Schneekönigin ins Reich der Fantasie

Düsseldorf · Das Junge Schauspielhaus macht aus dem Andersen-Märchen eine Entwicklungsreise, bei der Kinder ihre Fantasie spielen lassen müssen.

 Bernhard Schmidt-Hackenberg als Kay, Maria Perlick als Gerda und Kerstin König (oben) als ziemlich junge Oma in "Die Schneekönigin".

Bernhard Schmidt-Hackenberg als Kay, Maria Perlick als Gerda und Kerstin König (oben) als ziemlich junge Oma in "Die Schneekönigin".

Foto: David Baltzer

Kay und Gerda spielen gern Fangen, bis sie völlig außer Puste sind. Oder sie kriechen unter den Rosensträuchern herum. Und wie sie so mit den Nachbarskindern über die Bühne jagen, einander abschlagen und erschrecken, ist schon mal viel Energie im Raum. Im Winter dagegen hocken die Kinder still bei der Oma am Ofen und hören deren Geschichten an. Die Oma hat zwar noch ein ziemlich junges Gesicht, spricht aber Rheinisch mit knarzender Stimme und hat dieses Kopftuch um. Sie ist also die Oma, so viel ist klar in diesem Theater, und sie weiß, wie faszinierend Schnee ist.

Vor allem für Kay. Der kann sich nicht sattsehen an den kalten Kristallen. Und als ihm eines Tages ein Stück Zauberspiegel ins Auge fährt und ein anderes Stück mitten ins Herz, da wird der Junge selbst kalt wie Schnee und ist bald darauf verschwunden. Nur gut, dass die muntere Gerda ihren Spielgefährten nicht vergessen kann. Und sich auf den Weg macht, Kay zu finden.

Ein wahrlich winterliches Märchenstück steht in diesem Jahr auf dem Programm des Jungen Schauspielhauses: "Die Schneekönigin" nach Hans Christian Andersen. Eine seiner tiefgründigen Geschichten mit Traumsequenzen und Reiseabstechern, die eine Bühne vor mancherlei Herausforderung stellen. Macht Gerda doch Station in Blumengärten, Fürstenschlössern, bei den Räubern und fällt gelegentlich in tiefen Schlaf. Immer wieder muss sie selbst ihre länger werdende Geschichte erzählen, um aus brenzligen Situationen zu entkommen. Und so setzt der junge Regisseur Kristo Sagor ganz auf dieses Motiv des Erzählens, bebildert nicht alles, was sich auf Gerdas Reise ereignet, sondern lässt berichten, deutet an und überlässt den Rest der Fantasie seiner Zuschauer.

Das ist eine gute Herausforderung im Zeitalter der Bilderfluten, vergibt aber manche märchenhaften Momente. Etwa, wenn Kay seinen Schlitten an den der Schneekönigin bindet und mit ihr auf und davon in ihr Winterreich fliegt. Die klirrkalte Welt der unheimlichen Herrscherin ist auf der Bühne kaum zu erleben. Dafür gibt es jede Menge Einfälle, um auf Gerdas Reise die Bildmaschine im Kopf der Zuschauer anzukurbeln. So genügt es etwa, dass ein Darsteller sich eine alte Ledertasche auf den Kopf stülpt, deren Gurt als Zügel um die Ohren baumelt, schon ist das Rentier geboren, auf dem Gerda gen Norden reitet. Manche Szenen stattet der Regisseur auch üppig aus, dann erblühen grelle Gärten und eine goldene Leiter führt ins Schlossgemach. Vor allem ist es aber die Spielfreude des Ensembles, die Lust am Verwandeln, Imitieren, Karikieren, die dieses Stück zu einem Erlebnis macht.

Manches wirkt noch ein wenig unausgegoren, das Motiv der Rosen etwa oder die alte Faustsche Frage, was Menschen ins kalte Reich der Erkenntnis treibt. Manchmal fehlt es der Inszenierung vor lauter Speedreisen durch Schweden, Kanada, Lappland und manchen absurden Momenten an nachdenklicher Ruhe. So fragt man sich schon, was Gerda auf ihrer Reise und Kay in seinem eisigen Exil eigentlich gelernt haben, wenn es am Ende heißt, sie kehrten verwandelt zurück.

Dafür gibt es zahlreiche intelligent-witzige Momente, in denen der Regisseur auf die Kraft des Theaters setzt, Szenen zu behaupten und fantastische Momente herbeizuspielen. Schon sind die Darsteller gurrende Tauben, tanzende Büsche oder die herrische Schneekönigin mit stacheligem Eiszapfenhaar - schön und böse wie im Märchen.

(dok)
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