Düsseldorf Meister de Maistre lässt die Harfe flirren

Düsseldorf · Der Franzose begeisterte in der Tonhalle durch sein virtuoses, vor allem aber klangfarbenreiches Spiel.

Die Harfe ist ein widersprüchliches Instrument: optisch imposant, aber musikalisch oft unterfordert. Im Orchester ist sie zuständig für begleitende Klänge, als zarte Stütze himmlischer Engels-Chöre oder als Klangkulisse nächtlich lockender Stimmungen. Seltene Soli schildern blitzende Sterne oder rieselnde Brunnen. Bis heute sind für die Produktion der ätherischen Klänge mehrheitlich Frauen zuständig.

Nicht nur deshalb ist Xavier de Maistre eine Ausnahmeerscheinung. Sondern auch, weil er sich um die Erweiterung des schmalen Solorepertoires der Harfe bemüht. Mit dem fragilen Image des Instruments spielt de Maistre dennoch, obwohl er es widerlegt: Auf Agenturfotos sieht er so zart aus wie ein älterer Bruder des Tadzio-Darstellers in Luchino Viscontis Thomas-Mann-Verfilmung "Tod in Venedig". Wenn er dann aber leibhaftig die Bühne entert, wirkt er kantig, smart und muskulös, als käme er gerade aus dem Fitness-Studio.

Tatsächlich ist fragile Klangwirkung der Harfe ja keineswegs das Produkt eines leisen Lufthauchs, denn das mächtige Instrument wiegt fast einen halben Zentner, und es braucht viel Kraft, um die unter hoher Spannung stehenden Saiten zum Schwingen zu bringen.

Xavier de Maistre spielt zunächst Camille Saint-Saëns' "Morceau de Concert", ein wenig virtuoses, dafür auf impressionistische Klangwirkung setzendes Werk. Er spielt kraftvoll und wirkt musikalisch so souverän, als könne er jederzeit den Taktstock von seinem französischen Landsmann Alexandre Bloch übernehmen. Ohne Pause schließt sich ein Konzertstück von Gabriel Pierné an, das nun vor allem den Virtuosen de Maistre fordert. Pierné zählt zu den jenen französischen Spätromantikern, die zu Lebzeiten prägende Figuren des Musiklebens waren und dann vergessen wurden. Sein Konzertstück umspielt nuancenreich den dominierenden Solopart, der alle Möglichkeiten des Instruments ausschöpft von gläsernem Flirren bis hin zu Klängen, so üppig wie ein Wasserfall. Hier kann de Maistre zeigen, was in seinen Virtuosen-Händen steckt, und serviert seine Kunst mit selbstbewusstem Charme. Für die fälligen Ovationen dankt er augenzwinkernd mit einer aberwitzigen Zugabe: Félix Godefroids "Le carnaval de Venise", rasend sich überschlagende Variationen über das Volkslied: "Mein Hut, der hat drei Ecken".

Nach der Pause und vor de Maistres denkwürdigem Auftritt demonstrieren die Düsseldorfer Symphoniker schönste Einigkeit mit ihrem neuen "Principal Guest Conductor" Alexandre Bloch. Wie de Maistre ist Bloch sich seiner Smartness durchaus bewusst. Im Satin-Anzug tänzelt der Dirigent leichtfüßig aufs Podest, schnappt sich das Mikro und improvisiert sympathisch eine allerdings wenig informative Einführung.

Für Wagners "Tristan"-Ouvertüre nimmt er dann einen sehr großen Pinsel: Den breiten, langsam atmenden Tempi geht aber nicht die Luft aus, es mangelt den Klangfluten allerdings etwas an Tiefenschärfe. Vorwiegend harmlos - vor allem, wenn man Debussys Oper im Ohr hat - klingt Gabriel Faurés "Pelléas et Melisande"-Suite, ganz in seinem Element ist Bloch schließlich bei Ravels zweiter "Daphnis et Chloé"-Suite. Da schöpft er aus dem Vollen seiner französischen Klangfarben-Fantasie, schichtet duftige Streicher-Wolken übereinander und lässt Bläser-Soli funkeln.

Blochs Zeichengebung ist klar, seinen lustvollen Gesten antwortet das Orchester mit spürbarer Spielfreude. Am Schluss wird es dann doch arg laut, aber das tut der allgemeinen Begeisterung keinen Abbruch.

(RP)
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