Düsseldorf Launige Nacht mit Harry Heine

Düsseldorf · Literarisch begeisterungsfähige Nachtschwärmer folgten der Einladung, den deutschen Dichter ganz zeitgemäß zu erleben.

 Konzert in der Schumann-Gedenkstätte: Martha van Damme (Klavier) und Eva Martin.

Konzert in der Schumann-Gedenkstätte: Martha van Damme (Klavier) und Eva Martin.

Foto: Bernd Schaller

Am Samstagabend wird auf der Bilkerstraße gefeiert. Das ist kein Schreibfehler - natürlich wird auch auf der Bolkerstraße gefeiert, wie jeden Tag und mehr noch am Wochenende. Aber seit drei Jahren treffen sich Heinefreunde im Dezember ein paar Ecken weiter und erinnern öffentlich an den Geburtstag des Dichters. In diesem Jahr war es der 218. "Heine-Nacht" heißt ein buntes und vielfältiges Programm, das den Vorabend des 13. Dezembers zum Event macht. Alle vier Schauplätze, das Heine-Institut, das Palais Wittgenstein, die Schumann-Gedenkstätte und das Institut Français liegen auf der Bilkerstraße. Und ein paar Hundert sind es schon, die sich kein "o" für ein "i" vormachen lassen.

Eine ältere Dame sieht die Sache ganz radikal. Ob der Reporter von der Rheinischen Post sei, will sie wissen. Dann: "In Ihrer Zeitung stand heute, dass man den Flughafen nach Johannes Rau benennen will. Warum denn nicht nach unserem Heinrich Heine? Der war doch ein Dichter für die Ewigkeit." Spricht es und eilt ins Palais Wittgenstein, wo Avi Primor sprechen soll. Dann der Dämpfer. Der frühere israelische Botschafter war nicht reisefähig und ist deshalb nur per Skype zu erleben, im Gespräch mit dem Politikwissenschaftler Ulrich von Ahlemann. Leichtes Raunen des Missfallens im Saal, aber man bleibt sitzen und hört zu.

Auf der anderen Seite der Bilkerstraße, die an diesem Abend fast genauso viele Security-Leute hat wie ihre Konkurrenz mit "o", warten drei Schüler des Comenius-Gymnasiums auf die ersten Besucher. In ihrem Leistungskurs haben sie sich ein Quartal lang mit Heine beschäftigt und eine Zeitung gemacht. Ja schon, der Dichter sei ihnen jetzt positiv vertrauter, heißt es in der kleinen Runde auf Nachfrage. Ob sie auch Heine-Gedichte auswendig könnten. "Wir nicht, aber die Maria aus unserem Kurs ist Spitze darin. Die hat das von ihrer Tante."

Es wird nur wenig rezitiert in der Heine-Nacht. Sabine Brenner-Wilczek und Karin Füllner vom Heine-Institut wissen, dass das für die belesenen Freunde des Dichters nicht besonders spannend wäre. Außer natürlich, wenn der Schauspieler Moritz Führmann zu Gast ist. Dann wird der Saal wieder richtig voll. Ansonsten setzt das Programm auf viel Abwechslung, auch auf eine Mischung von Jung und Alt. Wenn schon Lesung, dann aus den Briefwechseln jener Zeit. "Ma femme chérie", Heines Briefe an seine Frau Mathilde, locken im Leseraum des französischen Kulturinstituts. Gleich zweimal präsentieren Aurélie Thépaut und Karin Füllner ihre spannend kommentierte Textauswahl. Der Titel einer anderen Brieflesung "Zahnweh im Herzen" stand bei Heine als Chiffre für Liebeskummer. Die Comenius-Schüler haben sich ebenfalls für diese Briefwechsel begeistert.

Natürlich gibt es auch Musik zum Ende des "heine@schumann"-Programmjahres. Der kleine Salon der Schumann-Gedenkstätte erlebt kaum jemals einen solchen Andrang. Das Wort "Kammermusik" passt wie selten. Mehr als dreißig Zuhörer, die meisten stehend, freuen sich über die Darbietung zweier Absolventinnen der Musikhochschule. Die Enge stört niemanden. "Missklänge sind allein dem oft verstimmten Tafelklavier zuzuschreiben, nicht der Pianistin oder der Sängerin", darauf weist Irmgard Knechtges-Obrecht von der Schumanngesellschaft ihre Gäste hin. Lebhaft schildert sie, wie beengt Robert und Clara Schumann damals mit ihren sieben Kindern lebten. Und in welch schlechtem Zustand sich das Haus heute befindet. Aber auch, dass sich die Stadt endlich darum kümmern wird. Bravo.

Auf der Bilkerstraße und an den verschiedenen Schauplätzen kann man Heinrich Heine persönlich antreffen. Vor Jahren kaufte das Heine-Institut aus dem Theaterfundus eine Ausstattung für einen mittelgroßen Mann des 19. Jahrhunderts. Sie passt dem Darsteller Thomes Karl Hagen wie angegossen, so spaziert er unaufdringlich umher, zeitweise begleitet von einem Hellebardenträger. So nannte man seinerzeit die Security.

Ein echtes Highlight des Programms ist die Tanzperformance "Nennt mich Harry". Zwei junge Frauen, Kathrina Wilke und Lenah Flaig, haben sich hier etwas Besonderes einfallen lassen. Ihre Darbietung orientiert sich an dem schier unglaublich bunten Resultat einer Straßenbefragung zum Dichter Heinrich Heine. Dann geht das Licht aus für ein bisschen Matratzengruft-Ambiente. Zum Schluss aber heißt es: "Kommen Sie doch nach vorn und holen Sie sich hier einen Schnaps. Es ist zwar noch nicht Mitternacht, aber wir trinken schon mal auf das Wohl unseres Lieblingsdichters. Prost."

(RP)
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