Düsseldorf Kunst der Verführung im Tanzhaus NRW

Düsseldorf · Intendantin Bettina Masuch holt auch in der nächsten Spielzeit namhafte Choreografen wie Jérôme Bel und Entdeckungen der internationalen Szene wie den indonesischen Tänzer Rianto an ihr Haus. Das müsste allerdings dringend erweitert werden.

 Der indonesische Tänzer Rianto greift in seinen Performances Elemente des traditionellen erotischen Tanzes aus Java auf. Anfang September ist er im Tanzhaus NRW zu erleben.

Der indonesische Tänzer Rianto greift in seinen Performances Elemente des traditionellen erotischen Tanzes aus Java auf. Anfang September ist er im Tanzhaus NRW zu erleben.

Foto: Choy Ka Fai

Eine Bilanz nach den ersten 100 Tagen im Amt hat Bettina Masuch verpasst - zu viel Arbeit. Doch am Ende ihrer ersten Spielzeit als Intendantin des Tanzhaus NRW hat sie nun zurückgeschaut: Zufrieden ist sie mit der Entwicklung der "Factory Artists", die sie eingeführt hat. Drei Choreografen hat sie für zwei Jahre fest an ihr Haus gebunden und ihnen damit die Freiheit verschafft, langfristig und mit mehr Spielraum für Experimente ihre Projekte zu entwickeln.

Alexandra Waierstall hat das genutzt, um ein Solo für sich selbst zu entwickeln und wird ihre Arbeit in der nächsten Spielzeit mit dem Pianisten Hauschka fortsetzen. Der in Berlin ansässige Sebastian Matthias, der für seine Choreografien den Rhythmus von Städten aufnimmt, wird sich mit der Metropole Tokio beschäftigen. Dafür konnte das Tanzhaus NRW das Tokio Festival als Partner gewinnen. Und der Belgier Jan Martens bringt im Mai sein Projekt "The Common People" zur Uraufführung, für das er jeweils zwei Menschen aus unterschiedlichen Lebenszusammenhängen zum "Blind Date" bittet und daraus kurze Duette entwickelt.

Alle drei Choreografen haben im Tanzhaus NRW Meisterklassen angeboten und ihre eigenen Arbeiten in verschiedenen Stadien präsentiert. "Es hat sich gezeigt, wie viel Kunst entstehen kann, wenn man vielversprechenden Choreografen das Vertrauen schenkt, zwei Jahre mit ihnen zu arbeiten und ihnen nicht nur Fördergelder verschafft, sondern auch eine künstlerische Heimat", sagt Bettina Masuch. Die Künstler hätten sich "in alle Abteilungen eingenistet" und die Möglichkeiten des Hauses ausgeschöpft. Darum wird das Tanzhaus diese Arbeit fortsetzen. Schon jetzt befällt die Tanzhaus-Chefin allerdings Trennungsschmerz, wenn sie daran denkt, dass eigentlich schon neue Talente für den nächsten Jahrgang von Factory Artists ausgeguckt werden müssten.

Festgehalten hat Masuch am Drei-Säulen-Prinzip des Tanzhauses NRW, das Bühne für Choreografen aus der Region und internationale Künstler ist, zugleich eine Akademie, in der Kurse von HipHop bis Flamenco angeboten werden und ein Haus mit zahlreichen Programmen für Kinder und Jugendliche. Alle drei Bereiche möchte Masuch weiter ausbauen und noch mehr als bisher miteinander vernetzen. So sollen etwa Themen wie Inklusion oder Älterwerden in der nächsten Spielzeit auf der Bühne wie in den Studios eine Rolle spielen.

Allerdings benötigt das Haus für seine Arbeit mehr Platz. Schon Tanzhaus-Gründer Bertram Müller hatte das angemahnt. Nun ist auch seine Nachfolgerin Masuch darüber mit der Politik im Gespräch. Allerdings konnte sie bei ihrem Bilanzgespräch von keinen konkreten Schritten in diese Richtung berichten. Man sei mit dem Kulturamt im Gespräch. Zwar hatte es nach dem Wechsel an der Stadtspitze viele positive Signale an die Freie Szene gegeben, doch scheint die Politik mit Blick auf die Haushaltslage derzeit keine Zusagen an Häuser in freier Trägerschaft machen zu wollen.

Masuch setzt also vorläufig auf die Überzeugungskraft ihrer Arbeit. Bedeutende Choreografen wie Laurent Chétouane, Fabien Prioville und Alessandro Sciarroni werden in der nächsten Spielzeit zu erleben sein. Raimund Hoghe wird ein neues Stück zeigen und Künstler aus der internationalen Szene nach Düsseldorf kommen.

So hat Masuch etwa die Brasilianerin Lia Rodrigues eingeladen, die in den Favelas von Rio de Janeiro ein Tanzhaus leitet, das derselben Idee folgt wie die Einrichtung in Düsseldorf, allerdings in einer sehr viel gewaltreicheren Umgebung wirken muss. Der indonesische Tänzer Rianto zeigt eine Performance des Japaners Choy Ka Fai, in der es um Verführungsstrategien und die Körpersprache der Geschlechter geht. Außerdem beteiligt sich das Tanzhaus an einem Projekt, das Tänzer und Choreografen aus Deutschland und dem Senegal zueinander führt und von der Bundeskulturstiftung gefördert wird.

Jérôme Bel wird die nächste Spielzeit am 27. August mit einer Arbeit eröffnen, die er "Gala" nennt und bei der er Profitänzer mit Amateuren auf eine Bühne bittet. "Die Arbeit zeigt, dass Qualität nicht von Virtuosität abhängt, sondern dass es bei Profis wie Amateuren auf die Liebe zum Tanz ankommt", sagt Masuch. Mit diesem Bekenntnis zum Tanz als universeller Ausdrucksform will sie ihre nächste Spielzeit beginnen.

(RP)
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