Düsseldorf Kumpfmüller über die Erziehung des Mannes

Düsseldorf · Provozieren wollte Michael Kumpfmüller, jedenfalls ein bisschen. Entsprechend hat er den ironischen Titel seines neuen Romans gewählt: "Die Erziehung des Mannes". Das riecht nach Ratgeber, Dressur und Kleinkriegen, nach Männer- und Frauenideologie. "Der Skandal ist aber leider ausgeblieben", gab er zu, als er beim "Literarischen Sommer" sein Buch jetzt in Düsseldorf vorstellte. Auch dort traf der renommierte Autor nur auf freundliches Interesse. So lange Moderatorin Maren Jungclaus vom Literaturbüro auch wartete: Es gab keine einzige Frage aus dem Publikum und erst recht keine Diskussion.

Tatsächlich steckt in der "Erziehung des Mannes" allerdings auch weniger Geschlechterideologie als ein "Seelenroman", bekannte der 55-Jährige später am Abend. Er erzählt die Lebensgeschichte des Musikers Georg anhand seiner wechselnden Beziehungen zu Frauen. Dessen erste Liebe brachte der Autor bei der Lesung zur Sprache, die Sehnsucht, dann den Absturz, als sie ihn abserviert. Aber schon folgt die nächste Liebe und mit ihr die Empörung der Mutter des Mädchens, als sie merkt, dass es nicht beim Händchenhalten geblieben ist. Das darf noch nicht sein, Regeln werden aufgestellt, die Erziehung des Mannes schreitet voran.

Es waren überwiegend Frauen, die sich diese Geschichten anhörten, zudem Georgs fein beschriebene Erfahrungen mit seinem Vater, einem Mann, dem es nicht gelingt, eine gute Beziehung zum Sohn aufzubauen. Er ist autoritär, in sich gefangen - und bleibt als Stimme präsent in Georgs Kopf, auch als der Sohn längst erwachsen ist. "Wer bin ich? Das ist doch die grundlegende Frage", sagte Kumpfmüller. Wie entwickelt man sich? Kann man die Prägungen der Kindheit revidieren? Wie frei ist der Mensch? "Alle reden von Ich-AGs und von Selbstbestimmung, und wir haben die Illusion, dass wir unser Leben gestalten", so der Autor. Tatsächlich aber seien die Weichen längst gestellt. Es sind die Eltern, die einen Lebenszug auf die Schienen setzen, und es ist zumindest sehr mühsam, ihn dort wieder herunterzubekommen.

Neu ist diese Einsicht nicht, aber bemerkenswert in einer Zeit, in der Ratgeberliteratur boomt und das Blaue vom Himmel verspricht, wenn der Leser nur ordentlich an sich arbeitet. Kumpfmüller: "Natürlich stelle ich in meinen Romanen keine Thesen auf. Aber ich wollte auf die Illusion der Selbstbestimmung reagieren." Er ist ein Autor, der die Auseinandersetzung sucht, auch schon mit seinem Debüt "Hampels Fluchten": über einen Mann, der in die DDR flieht, weil er im Westen nicht zurechtkommt. Oder im letzten Roman "Die Herrlichkeit des Lebens" über Dora Diamant, Franz Kafkas letzte Liebe, über das Schreiben und den Tod.

Diese Titel sind ebenso wenig Skandalbücher wie der neue Roman. Diskussionsstoff liefern sie dennoch reichlich. Schade also, dass es bei der Lesung in Düsseldorf zum Gespräch nicht kam.

(RP)
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