Düsseldorf Kritik an der Kunstmetropole

Düsseldorf · Die Debatte über die Museumslandschaft ist eröffnet: Als Reaktion auf den "Kulturmasterplan" unseres Autors Bertram Müller erklären Kulturschaffende, was sie an Düsseldorf stört und was unbedingt geändert werden muss.

Hans-Jürgen Hafner vor der Kunsthalle am Grabbeplatz. Der Leiter des Kunstvereins findet, dass der Stadt das Gespür für Qualität fehlt.

Hans-Jürgen Hafner vor der Kunsthalle am Grabbeplatz. Der Leiter des Kunstvereins findet, dass der Stadt das Gespür für Qualität fehlt.

Foto: Bernd Schaller

Es herrscht Unruhe in der Kunststadt Düsseldorf. Die beiden Leuchttürme, das städtische Museum Kunstpalast und die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, stehen vor einem Direktorenwechsel. 2017 verlässt Beat Wismer den Ehrenhof in Richtung Ruhestand, schon in diesem November zieht es Marion Ackermann weg vom Grabbeplatz nach Dresden. Was folgt auf die beiden? Und ist das Konzept der Kunstmetropole Düsseldorf überhaupt noch zeitgemäß? Ja: Gibt es überhaupt ein Konzept?

 Katharina Fritsch stört sich an der Gleichmacherei.

Katharina Fritsch stört sich an der Gleichmacherei.

Foto: Benjamin Westoby

Wir befinden uns in einer Übergangszeit, und statt zu klagen, kann das auch eine willkommene Gelegenheit sein, frei zu denken und konstruktiv. Wir wollen die strukturell erstarrte Museumslandschaft in der Landeshauptstadt diskutieren lassen, ohne Denkverbote, und begonnen haben wir damit am vergangenen Samstag, als unser Auto´r Bertram Müller seinen Vorschlag für einen Kulturmasterplan veröffentlichte. Nun sollen Persönlichkeiten zu Wort kommen, die sich in der Stadt für die Kunst engagieren.

Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff sagt: "Weg kann nichts."

Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff sagt: "Weg kann nichts."

Foto: Fischer

Katharina Fritsch zum Beispiel. Die international erfolgreiche Bildhauerin ist mit der Situation in der Stadt für Künstler unzufrieden. Es fällt im Eifer des Wortgefechts oft das Wort von "Unstadt", das sie gleich wieder zurücknehmen will. Weil sie sich in Rage geredet hatte. Doch "Unstadt" steckt in Kunststadt mindestens buchstäblich drin, und wenn Fritsch das Wort auch nur so herausgerutscht ist, dann spielt sie doch an auf die vielen Leerstellen in der Kunststadt Düsseldorf. "Es müsste wilder, dreckiger und billiger sein", sagt sie. Sie lehnt es ab, dass Investoren bestimmen, wie eine Stadt inhaltlich und formal weiterentwickelt wird. Künstler, das weiß Katharina Fritsch aus eigener Erfahrung, zieht es immer in die nicht so etablierten Viertel, denn "Künstler wollen rocken."

Die gebürtige Essenerin Fritsch hat ihren Lebensmittelpunkt und ihre Atelierräume in Flingern, außerdem ist sie Professorin an der Kunstakademie. Man könne froh sein für jede dreckige Ecke in Düsseldorf, sagt Fritsch, nur dort entwickle sich Fantasie. Man habe viel zu viel alte Bausubstanz abgerissen, in Düsseldorf fehle der Respekt vor den historisch gewachsenen Stadtteilen, Bauwerken und Orten. Und, sehr hart: Der am weitesten verbreitete Baustil sei die Gleichmacherei, alles werde lieber neu gemacht, als dass man die Potenz des Alten birgt, mit dem Neuen kombiniert und wieder in ein gutes Licht rückt.

In der Schweiz oder auch in Süddeutschland gehe man behutsamer mit seiner eigenen Geschichte um, sagt Fritsch. Das Schlimmste in der jüngsten Zeit, sozusagen die planerische und politische Todsünde, war für die Bildhauerin der Abriss des Tausendfüßlers. Noch weiter zurück - doch längst nicht vergessen - liegt der Abriss des Kunstpalastes, der 1902 eingeweiht worden war und 1999 neu umbaut wurde vom Architekten Oswald Mathias Ungers. Erbittert hatte sich die Künstlerschaft dagegen gewehrt, protestiert. Heute, nachdem das Ende der Partnerschaft mit dem Energiekonzern Eon bekanntgeworden ist, sagt Fritsch: "Was für ein schreckliches Opfer für 15 Jahre ppp (public private partnership)."

Fast wären die Kunsthalle am Grabbeplatz und ein Teil des Malkastens auch noch der Abrissbirne zum Opfer gefallen. Das konnten die Künstler damals verhindern. Katharina Fritsch wünscht sich für das künstlerische Klima der Stadt, dass man die Fehler der 1960er und 1970er Jahre nicht wiederholt. "Und bitte" - sagt sie mahnend - "nicht alles plattmachen!"

Hans-Jürgen Hafner ist Direktor des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen in Düsseldorf. Er findet, Düsseldorf mache nicht genug aus seinem Potenzial. "Dritter Gang und Überholspur gehen nur bei zähflüssigem Verkehr zusammen. Schuld sind dann immer die Verhältnisse. Wer Gas geben will, muss eben hochschalten." Dafür fehle es jedoch an vielem: "An Gespür für Qualität sowie, ursächlich damit verbunden, einer kontinuierlich präzise Kunstkritik. Das sind Grundvoraussetzungen für die Komponenten einer Kunststadt."

Er kritisiert auch die Erscheinung des Museum Kunstpalastes: "Da liegt eine kultur- und lokalgeschichtlich durchwachsene Sammlung vor, dazu kommen eine ungeschickte Raumplanung und äußerst unglückliche Namenswahl. Solch ein städtisches Kunstmuseum ist schwer mit Sinn, geschweige denn mit Profil zu füllen."

Muss man die Kunststadt also stärker ordnen? "Warum überhaupt Ordnung reinbringen?", fragt er zurück. "Sie entsteht automatisch durch korrekte Gewichtung. Zu diskutieren, was Düsseldorf tatsächlich ,hätte', wirft dabei bereits andere Fragen auf, als was in der Stadt faktisch ,steht'. Zum Beispiel ein Landesmuseum für moderne und zeitgenössische Kunst mit aufgrund seiner Sammlung von Malerei der Moderne allein schon internationaler Strahlkraft."

Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff ist längst im Ruhestand, doch der ehemalige Kulturdezernent und Staatssekretär unter Jürgen Rüttgers (CDU) gilt als ein Architekt der Kulturlandschaft Düsseldorfs. Die umstrittene ppp zwischen dem Museum Kunstpalast und dem Energiekonzern Eon hatte er eingefädelt; gerade erst wurde diese aufgekündigt, was die alten Kritiker wieder auf den Plan rief.

Grosse-Brockhoff mahnt an, dass bei der Erstellung eines Masterplans für die Kunst ein "Geleitzugdenken" hilfreich sei, bei dem es eine gemeinsame Strategie gibt und doch jedes Schiff seine Einzelkämpfe ficht. "Jede Stadt kann immer mehr aus sich machen", sagt er, "sie muss es nur wollen." Dabei komme es weniger auf die Titel an, die Menschen in leitenden Funktionen vergeben werden, als auf die Wahl der richtigen Köpfe und Charaktere. Im Hinblick auf die Neuordnungsvorschläge für die kleineren Häuser seitens der Politiker sagt Grosse-Brockhoff: "Viel fehlt nicht in der Museumslandschaft, und weg kann nichts". Denn alles habe als gewachsenes Kulturgut seine Daseinsberechtigung.

Wer einen Masterplan erstellen will, solle sich nicht von einer Sehnsucht nach Ordnung oder Neuordnung leiten zu lassen. "Unordnung ist doch auch ganz fruchtbar", sagt der Kulturpolitiker a.D.

(RP)
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