John Lydon "Vielleicht werde ich noch weise"

Düsseldorf · Am 11. Mai kommen Public Image Ltd. ins Zakk. Vorab sprach Frontmann John Lydon über Religion, Kühe und eine Reunion der Sex Pistols.

 John Lydon kommt im Mai mit seiner Band nach Düsseldorf.

John Lydon kommt im Mai mit seiner Band nach Düsseldorf.

Foto: Paul Heartfield

Am Telefon unterhielten wir uns mit John Lydon, Kopf der Band Public Image Ltd., früher auch als Johnny Rotten, Sänger der Sex Pistols, bekannt. Als wir ihn in Los Angeles erreichen, ist er bestens gelaunt, redet über sein Album und seine Autobiographie "Anger is an Energy".

Mr Lydon, Zorn ist eine Form von Energie, sagen Sie in einer Zeile des Songs "Rise".

John Lydon Mit vier Jahren (Lydon ist am 31. Januar 1956 in London geboren) erkrankte ich an Meningitis. Ich fiel in ein Koma und musste drei Monate ins Krankenhaus. Als ich erwachte, konnte ich mich an nichts mehr erinnern, ich wusste nicht einmal mehr, wer meine Eltern waren. Damals haben mir die Ärzte gesagt, Wut und Zorn wären die Mittel, um gegen den Verlust zu kämpfen. Das ist mein Motto geblieben.

Was hat Ihnen noch geholfen?

Lydon Englische Komiker wie Tommy Cooper. Über sie habe ich zur Sprache zurückgefunden. Und natürlich durch die Literatur. Ich liebe Shakespeare, bis heute.

Zorn gilt als eine der sieben Todsünden. Haben Sie noch andere Laster?

Lydon (Seufzt) Ja, leider das Rauchen.

Und Tugenden?

Lydon Ich hasse Lügen. Ich lüge nie und kann es auch bei anderen nicht leiden. Von mir erfährt man immer die Wahrheit.

Sie haben mit der Zeit die Erinnerungen zurückgewonnen und schreiben auch sehr liebevoll über Ihren Vater.

Lydon Er war ein großartiger Mann, sehr direkt, aber voller Humor. Als ich mit 17 nach Hause kam und mir die Haare abgeschnitten und grün gefärbt hatte, sagte er: ,das sieht aus wie Rosenkohl auf deinem Kopf' und warf mich erstmal aus der Wohnung.

In gewisser Weise ist er aber auch für Ihren Namen bei den Sex Pistols, Rotten, also verdorben, verantwortlich.

Lydon Sid Vicious (Bassist der Sex Pistols) nannte mich so, weil meine Zähne so schlecht waren. Für meine Eltern war Mundhygiene ein Fremdwort. Sie trugen beide Gebisse. Ich bekam eine Zahnbürste nur dann zu Gesicht, wenn mein Vater seine Stiefel wienerte. Vor einigen Jahren habe ich dann alles für viel Geld reparieren lassen. Es musste sein. Aber weil ich nicht dieses unnatürliche Weiß haben wollte, sagten meine Freunde hinterher, meine Zähne sähen jetzt aus wie Betonpfeiler.

Wird es wieder irgendwann eine Re-union der Sex Pistols geben?

Lydon Niemals! Jedes Mal, wenn wir uns als Überlebende trafen, sind wir als Feinde auseinandergegangen. Es ist einfach zu viel passiert.

Auf der ersten PiL-LP gibt es den Song "Annalisa". Die Inspiration dafür war ein realer Exorzismus, der 1976 an der jungen Frau Annelise Michel in Klingenberg in Franken begangen wurde, die an den Folgen gestorben ist. Wie sind Sie darauf gekommen?

Lydon Meine Frau (Nora Webster) hat mir davon erzählt. Sie kommt aus Deutschland und kannte den Vorfall. Später sind auch Filme darüber gedreht worden. ("Der Exorzismus der Emily Rose", aber auch "Requiem").

Das Thema Religion hat Sie schon immer interessiert.

Lydon Ja, organsierte Religion war mir stets ein Dorn im Auge. Das Bild ,Sanctimonius smile', das scheinheilige Lächeln des Priesters, kommt auch in einem meiner Songs - in ,Religion' - vor. Wenn ich daran denke, was sie ihren Schülern antun...Sie sind aus Deutschland, Sie wissen, wovon ich rede. Übrigens sind die Konzerte von PiL auch so etwas wie das Treffen einer Gemeinde, nur ohne Religion.

Sprechen wir über das neue Album. "What the World Needs now..." erinnert an einen Standard, etwa von Jackie DeShannon. Und endet mit "is Love". Bei Ihnen nicht.

Lydon Eigentlich mag ich den Song. Aber bei uns heißt es natürlich PiL oder Fuck.

Sie haben einen breiten Musikgeschmack, Can, Captain Beefheart, Reggae.

Lydon Ja aber das kam später. Ich habe auch Popmusik gehört. Mungo Jerry ("In the Summertime") mochte ich zu Beispiel sehr.

Das neue Album haben Sie im Studio von Steve Winwood aufgenommen. Wie war das?

Lydon Naja, Studio klingt toll. Eigentlich ist es eine umgewandelte Scheune. Aber ich wollte raus aus der Stadt, und dafür war es gut. Wenn man aus dem Fenster geschaut hat, konnte man Schafe sehen.

Mit Schafen und Kühen kennen Sie sich ja aus. Sie haben sogar mal Werbespots für "Irish Butter" gedreht.

Lydon Das hat mir sehr bei der Finanzierung neuer Alben geholfen, es hat Spaß gemacht und die Leute von der Butter-Firma haben mich besser behandelt als alle aus dem Musikgeschäft. Das Platten-Management wollte mir sogar den Namen Rotten verbieten, und ich musste vor Gericht deswegen. Das muss man sich mal vorstellen.

Auf dem neuen Album klingt Ihr Gesang wie befreit. Was ist da geschehen?

Lydon Oh, das war ganz ungezwungen, besonders mit der Band. Da kann man mal etwas ausprobieren.

Sie sind am 16. Januar 60 Jahre alt geworden. Bedeutet das etwas für Sie?

Lydon Eigentlich nicht. Aber ich habe überlebt und es geht mir gut. Und vielleicht werde ich ja noch weise (lacht).

THOMAS HAG STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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