Düsseldorf Kleiner Mord unter Freunden

Düsseldorf · Im Theater an der Kö hatte der französische Komödien-Hit "Unsere Frauen" von Eric Assous Premiere. Ein bissiges Konversationsstück über drei Freunde, die ihre Frauen nicht mögen - einer zieht Konsequenzen.

Wo steckt bloß Simon? Ohne ihn können die beiden Freunde nicht mit dem Kartenspiel beginnen. Ihre Laune ist auf dem Nullpunkt. Paul (Jochen Horst) plumpst in einen der unbequemen Sitzsäcke und guckt schwermütig. Max (Bernhard Bettermann), in dessen Pariser Wohnung sie sich befinden, ruckelt das zweite Riesending zurecht und zupft pedantisch spitze "Öhrchen" aus der oberen Kante. Während der öden Warterei läuft eine Platte mit Charles Aznavours Klagelied "Du lässt dich gehn": soweit der melancholische, sehr französische Auftakt zum Stück "Unsere Frauen" von Eric Assous, das jetzt im "Theater an der Kö" Premiere hatte.

Auf der Bühne taucht keine einzige dieser Frauen auf. Dennoch sind sie allgegenwärtig. Denn es wird gleich am Anfang viel über sie geredet. Paul ist mit einer Schlafmütze verheiratet, seine Ehe in Langeweile erstickt. "Bist du glücklich?", fragt ihn der Freund. Da fällt der traurige Satz: "Wenn ich glücklich wäre, hättest du davon gehört." Max geht es nicht viel besser. Er hat seine quälend eifersüchtige Freundin gerade vor die Tür gesetzt - das Paar durchlebt eine Krise, ist aber trotzdem noch zusammen, irgendwie. Fröhlich wirkt auch er nicht. Und ihr Kumpel Simon, da sind sich die beiden Ärzte einig, sei zwar erfolgreich als Betreiber mehrerer Friseursalons, dafür aber mit der Nervensäge Estelle gestraft. Ach ja, die Frauen!

Die Unterhaltung der frustrierten Freunde schleppt sich ein wenig hin. Bis der dritte Mann (Mathias Herrmann) hereinstürzt und die Bombe platzen lässt: "Ich habe Estelle umgebracht!" Dafür erntet er Spott und höhnisches Gelächter. Wer soll das glauben? Simon bleibt dabei: "Ich habe sie im Streit erwürgt!" Plötzlich wird es ernst. Was nun? Die Polizei einschalten? Das hätte der Übeltäter längst machen sollen. Doch der hat bereits einen ganz anderen Plan. Die beiden sollen ihn decken und ihm ein falsches Alibi geben. So könnte man die Schuld auf einen Einbrecher schieben. Simons beschwörender Appell: "Wir sind doch Freunde!"

Damit ist der Kern dieser Konversations-Komödie herausgeschält, die Ute Willing mit feinem Gespür für schrägen Humor inszeniert hat. Wie weit darf, soll und muss man in einer Freundschaft gehen? Ist bedingungslose Treue gefordert, selbst wenn es sich um einen zu vertuschenden Mord handelt? In "Unsere Frauen" wird die Entscheidung vorerst aufgeschoben. Simon, der nach seiner Beichte Tabletten geschluckt und hastig Hochprozentiges gekippt hat, ist in einen komaähnlichen Schlaf versunken. Max und Paul haben also reichlich Zeit, das Problem und seine Folgen zu diskutieren. Manche Argumente drehen sich im Kreis und werden nicht immer ausgelotet, hier bleibt die Handlung stellenweise etwas dünn. Bei aller Raffinesse offenbart die Komödie auch einige Schwächen. Die werden allerdings glänzend überspielt von den fabelhaften Darstellern. Gute Typen, alle drei. Man schaut ihnen gern zu, wie sie sich piesacken, beleidigen, über Moral und Lügen streiten. "Ich belüge meine Patienten nicht", entrüstet sich Paul, "ich mache ihnen Hoffnung." Ähnlich wie in den bissigen Stücken von Yasmina Reza fallen Schranken, werden Charaktere entlarvt und seziert, Giftpfeile abgeschossen. Feige sei Paul, beschwert sich Max, ohne eigene Meinung und unerträglich harmoniesüchtig. Er geht noch weiter und schleudert ihm entgegen: "Ich hasse alle Sachen, die du liebst." Das tut weh. Aber sie kriegen auch wieder die Kurve. Legen einen urkomischen Rap auf die Bretter und schmettern mit "Je ne regrette rien" ein versöhnliches Chanson - beide Einlagen erhalten Szenenapplaus.

Als der Morgen dämmert, holt die Wirklichkeit sie ein. Simon erwacht. Die gnädigen Schatten der Nacht sind verflogen, jetzt müssen sie sich der Tatsache stellen, dass der Freund seine Frau auf dem Gewissen hat. Die Wende, die das Stück schließlich nimmt, kommt nicht ganz überraschend. Trotzdem bleibt es spannend und trumpft mit starken Dialogen und famos ausgespielter Komik auf. Friedlich klingt "Unsere Frauen" aus, wäre da nicht noch, erdacht von der Regisseurin, dieser allerletzte verstörende Coup. Große Begeisterung und lang anhaltender Jubel bei der Premiere.

(RP)
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