Düsseldorf Kabarett-Premiere: Thomas Freitag nimmt sich Europa vor

Düsseldorf · Zuerst sind da Geräusche: Stimmengewirr, Autoverkehr, ein heftiges Krachen und Sirenengeheul. Dann stolpert ein Mann mit Anzug und Krawatte auf die Bühne. Er zieht einen lädierten Trolley hinter sich her, schaut sich verwirrt um: "Hallo, ist da jemand? Ich bin Peter Rübenbauer, Berater der EU." So beginnt das neue Programm von Thomas Freitag, das er noch heute und morgen im "Kom(m)ödchen" zeigt: "Europa, der Kreisverkehr und ein Todesfall". Er tritt auf als zuständiger Beamter für alle europäischen Kreisverkehre. Ausgerechnet in einem solchen ist er verunglückt. Kein Einzelschicksal bei den Schwierigkeiten, hinein- und vor allem wieder herauszufinden, sagt er, manche Autofahrer blieben darin für immer gefangen. Aber ob er nun gestorben ist? Er befürchtet es und blendet zurück. Im Grenzgebiet zwischen Leben und Tod, zwischen ewigem Licht und Energiesparlampe, nimmt Thomas Freitag in einem glänzenden Monolog die einstmals große Idee von Europa auseinander. Eigentlich sei sie ja gut, man hätte sie nur nicht mit anderen Ländern umsetzen sollen. Die greift er jenseits von politischer Korrektheit an. Bei den Osteuropäern missfallen ihm Koteletten und Oberlippenbärte, "und die Männer sehen kaum besser aus". Oder das fremdenfeindliche Polen, wo Orte mehr Konsonanten haben als Einwohner! Er erinnert an das kollektive Glück über den Mauerfall, beklagt die neue Lust auf Grenzen und die absurde Sehnsucht nach der Mark. Früher habe man Theologie und Philosophie studiert. Heute, getrieben von Geldgier, BWL, "das dümmste aller Studienfächer", meint er. Und gleich mehrfach fällt der Satz: "Ein Zyniker ist ein Mensch, der von allem nur den Preis kennt und nicht den Wert."

Gelegentlich wechselt der Kabarettist die Rollen. Lustig ist er als schwäbelnder Selbstmordattentäter, unter der mausgrauen Joppe ein Gürtel aus Birkenstock-Sandalen und Wollsocken. Er freut sich, auf ihn warten im Himmel 36 Sozialpädagoginnen mit Doppelnamen. Oder Zeus, der sich als wütender Stier gebärdet. Die Milliarden für Griechenland? Kein Almosen, nur die Rückzahlung aller Ouzos, die seit Jahrzehnten "aufs Haus" kredenzt werden. In der Pause kippt das Premieren-Publikum Ouzo aus Minigläschen. Aufs Haus. Nett. Freitags Albtraum über die Auswüchse von Facebook ist fabelhaft, sein flammendes Plädoyer für Europa berührt. Ein vergnüglicher Abend mit Witz und Biss. Herzlicher, lang anhaltender Beifall.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Alles Theater
Was es am Düsseldorfer Schauspielhaus zu sehen gibt Alles Theater
Zum Thema
Aus dem Ressort