Düsseldorf Junge Poeten gegen tote Dichter

Düsseldorf · Im Großen Haus traten Schauspieler gegen Poetry Slammer an.

 Bernhard Schmidt-Hackenberg endet als Franç ois Villon am Galgenstrick. Mit seiner Imitation des französischen Dichters gewinnt er den Poetry Slam.

Bernhard Schmidt-Hackenberg endet als Franç ois Villon am Galgenstrick. Mit seiner Imitation des französischen Dichters gewinnt er den Poetry Slam.

Foto: Schaller

Einmal im Jahr wechseln die Poetry Slammer vom Zakk auf die große Bühne im Schauspielhaus. "Dead or Alive" heißt der Wettbewerb, bei dem die jungen Poeten auf ihre historischen Kollegen treffen. Die sind natürlich alles andere als tot, sondern werden von Mitgliedern des Ensembles des Schauspielhauses verkörpert. Juroren im fast ausverkauften Großen Haus bewerten die Dichter, bis im Finale nur noch zwei gegeneinander antreten. Das Publikum kürt den Sieger durch seinen Applaus. Enthusiastisch ist die Stimmung an diesem von der Schriftstellerin Pamela Granderath moderierten Abend, enthusiastisch sind auch die Schauspieler. Sie genießen es, sich in sechs Minuten ihrem Publikum zu präsentieren.

Dabei gibt es die erste Überraschung des Abends gleich zu Anfang. Der amerikanische Dichter Mike McGee, der außer Konkurrenz antritt, verblüfft mit einem Rap aus der Serie "The Prince of Bel Air" - auf Schottisch wohlgemerkt. Als er das zweite Mal an der Reihe ist, holt er noch weiter aus, lässt sich von der Band Beastings wie ein Beatpoet mit jazzigen Tönen begleiten und erzählt die Geschichte einer kosmischen Lovestory, die nach allerlei Wirren unter den Pfoten eines Hundes endet. Tragisch-komisch. Vielleicht wäre er Sieger des Abends geworden, aber seine Beiträge liefen außer Konkurrenz.

Um den Gewinnerpokal, eine schöne Thermoskanne, zu gewinnen, tritt die Ensemble-Schauspielerin Pia Händler an. Sie imitiert die verstorbene Sängerin Amy Winehouse: unsichere betrunkene Schritte, Texte aus "Rehab" und "Back to Black" - das Porträt einer verlorenen Seele. Das ist toll deklamiert, bedient sich aber doch gängiger Klischees.

Gregor Löbel suhlt sich in seinen Shakespeare-Texten, spielt mit aller Inbrunst den liebeskranken Romeo und den irren König Richard III.: "Mein Königreich für ein Pferd."

Bernhard Schmidt-Hackenberg gibt den praktisch schon als Poetry Slammer auf die Welt gekommenen französischen Dichter Franç ois Villon als Rapper mit Triumphgeste und hochgerolltem Hosenbein. Er höhnt über die "Lästerzungen", betrauert in einem nachdenklichen Moment den toten Sohn - und endet als Galgenvogel am Galgenstrick. Das gefällt dem jungen Publikum sehr gut.

Dagegen haben die jugendlichen Poeten keinen leichten Stand. Mona Harry aus Hamburg intoniert ihre kritischen Alltagsbeobachtungen mit beschwingtem Flow, sie beobachtet ironisch-distanziert die Paarungsrituale der großstädtischen Szene.

Dominik Erhard aus München slammt über fest gefügte Rollen und wie man sie verlässt. "Wir alle spielen mit im Theaterstück des Lebens", konstatiert er. Dabei fallen ihm ein paar seltsame Dinge ein, um die angewiesenen Rollen zu wechseln: ohne Hose U-Bahn fahren oder auf einem Fließband joggen. "Ich will keine Figuren mehr, ich will Menschen. Ich bin ein Rocker, der liest."

Jan-Philipp Zymny, Sieger des Vorjahres, schafft es auch dieses Mal wieder bis ins Finale. Er verblüfft mit frappierenden Wendungen, fällt vom Albernen ins Tiefsinnige, mischt Comic-Sprache mit hochgeschraubten Absurditäten. "Babys sind alle klein, runzlig und kahl. Wie soll ich da meines von den anderen unterscheiden? Ich werde es tätowieren."

Auch wenn ihm das Publikum geneigt ist, im Finale unterliegt der Wuppertaler Poetry Slammer einem toten Dichter. So siegt Schmidt-Hackenberg als Villon. Alle sind so wild nach seinem Erdbeermund, den der Dichter einst in einer Ballade besang.

(RP)
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