Jazz Rally in Düsseldorf Jazz ist Ausdauersport

Düsseldorf · Zu Pfingsten fällt der Startschuss für die Düsseldorfer Jazz Rally. Star des internationalen Festivals ist US-Sänger Gregory Porter.

 "Sister Sledge" locken zur Jazz Rally.

"Sister Sledge" locken zur Jazz Rally.

Foto: Jazz Rally

Genau vier Wochen vor dem Grand Départ der Tour de France startet in Düsseldorf ein anderes sportliches Großereignis, zu dem 300.000 Besucher erwartet werden. Gemeint ist nicht etwa die Tischtennis-WM, bei der die Veranstalter auf immerhin 50.000 Zuschauer hoffen, sondern die Jazz Rally, die am Pfingstwochenende bereits zum 25. Mal stattfindet. Wie kann es sein, fragt man sich, dass die Düsseldorfer Jazz Rally sechsmal so viele Menschen anlockt wie die größte Hallensportveranstaltung der Welt? Und das, wo der Jazz doch im Allgemeinen als intellektuell und elitär gilt, verständlich nur für einen kleinen Kreis eingeweihter Kenner, nicht jedoch für ein großes Publikum?

Top Acts Gerade die Massentauglichkeit gehörte von Anfang an zum Konzept dieses größten deutschen Jazzfestivals, bei dem Spaß und Unterhaltung im Vordergrund stehen und die Programmmacher manchmal mit rheinischer Großzügigkeit über Genregrenzen hinwegsehen. So sind auch in diesem Jahr zumindest zwei der drei sogenannten "Top Acts" eher der Popmusik zuzuordnen als dem Jazz: Heather Small, die Sängerin der 1990 gegründeten britischen Soul-Band "M People", und die US-amerikanische Gruppe "Sister Sledge". Die ursprünglich vier Schwestern landeten ihren größten Disco-Hit "We Are Family" bereits 1979. Kathy Sledge verließ die Band 1989. Und obwohl Schwester Joni im März im Alter von 60 Jahren überraschend gestorben ist, werden Debbie und Kim Sledge am Pfingstsonntag nach Düsseldorf kommen, um das Publikum im Konzertzelt auf dem Burgplatz zum Tanzen zu bringen.

Der Star Gregory Porter, Star des Festival-Freitags, ist schon eher dem Jazz zuzuordnen. Der Sänger, der sein "Blue Note"-Debüt "Liquit Spirit" weltweit eine Million Mal verkaufte und für das Album 2014 in den USA mit dem Grammy und in Deutschland mit dem Echo Jazz ausgezeichnet wurde, liebt zwar auch Blues, Soul und Gospel, bezieht sich aber immer wieder ausdrücklich auf den Jazz. So etwa, wenn er scattet oder sich in dem Song "On My Way To Harlem" auf Duke Ellington als seinen musikalischen Ahnherrn beruft.

Vielfalt Überhaupt wird, wer das Programmheft durchblättert, feststellen, dass bei den 65 Konzerten auf 23 Bühnen von der Kneipe bis zur Kirche letztlich doch der Jazz das Rennen macht. Präsentiert wird er von rund 400 Musikern aus 30 Ländern von Äthiopien (Hailu Mergia) bis Zypern (Mimic Jazz Quintet). Gerade die Vielfalt der Stilrichtungen seiner in diesem Jahr hundertjährigen Geschichte ist es, die den Jazz kennzeichnet als lebendige Kunstform, die in der Lage ist, die unterschiedlichsten Einflüsse aufzunehmen und daraus etwas Neues entstehen zu lassen. So verweist auch der Name des vor mehr als vier Jahrzehnten von dem Bassisten und ehemaligen künstlerischen Leiter der Jazz Rally Ali Haurand gegründeten "European Jazz Ensembles", das am Pfingstsonntag im Landtag in Quintett-Besetzung zu hören ist, nicht nur auf die Herkunft der Mitglieder aus verschiedenen Ländern Europas. Vielmehr spiegelt sich darin ein Selbstbewusstsein, das in der Eigenständigkeit des europäischen Jazz begründet ist. Denn gerade die europäischen Musiker der Nachkriegsgeneration haben die Sprache traditioneller amerikanischer Jazzformen diesseits des Atlantischen Ozeans stilbildend weiterentwickelt. Der 1971 geborene polnische Pianist Leszek Mozdzer, der mit seinem Trio am Pfingstsamstag ebenfalls im Landtag auftritt, ist in seinem Heimatland mit der Verbindung von europäischer Klassik und amerikanischem Jazz überaus erfolgreich. Mit seinem Solo-Album von 2011 erreichte er dort sogar Platz 1 der Pop-Charts.

Deutsche Künstler Dass man im Geburtsland des Jazz gern mit jungen deutschen Musikern zusammenarbeitet, zeigen die Projekte der Wasserfuhr-Brüder und der Saxofonistin Nicole Johänntgen. Julian (Trompete) und Roman Wasserfuhr (Piano), die am 2. Juni im Stilwerk spielen, haben ihr aktuelles Album "Landed In Brooklyn" in New York mit Stars der dortigen Szene aufgenommen. Nicole Johänntgen bringt die Musiker, mit denen sie in New Orleans ihre neue CD einspielte, zum Konzert in der Rheinterrasse (3. Juni) gleich mit.

Kinder Neben den amerikanischen Saxofonisten der alten Schule Ernie Watts (3. Juni) und Scott Hamilton (4. Juni) gibt es am Pfingstsonntag unter der Leitung von Wolf Doldinger auch "Musik für Kinder von Kindern", ein gemeinsames Projekt mit deutschen Jungen und Mädchen und Kindern aus Flüchtlingsfamilien.

Wer bei dem riesigen Programm nichts verpassen will, sollte die Kondition eines Ausdauersportlers mitbringen. Und dann kann's losgehen!

(RP)
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