Düsseldorf Impressionen aus fünf Wochen Istanbul

Düsseldorf · Die Schriftstellerin Barbara Köhler las im Heine-Haus aus ihren türkischen Stipendiums-Notizen.

Gerade ist Barbara Köhler aus Sri Lanka zurückgekehrt. Dort hat sie Werke einheimischer Dichter ins Deutsche übersetzt. Vor einem Jahr aber wohnte die in Duisburg lebende Autorin für fünf Wochen in Istanbul. Ein kurzfristig angebotenes Stipendium der Kunststiftung NRW führte sie nach Beyoglu, in das touristische Zentrum der Stadt. Dessen große Einkaufsstraße mündet in den Taksim-Platz, auf dem sich 2013 der blutige Protest gegen die Regierung Erdogan entzündete.

"Fünf Wochen sind zu lange für Tourismus und zu wenig zum Eingewöhnen", sagte Barbara Köhler, als sie im Heine-Haus ihr Buch "Istanbul, zusehends" vorstellte. Mit einer einfachen Digitalkamera fing sie das ein, was sie vor allem interessierte und was es im Übermaß zu sehen gab: Augen; die Augen der Menschen in den Straßen, die Augen von Kameras, die Augen von Graffiti und Nippespuppen und die Augen des Republikgründers Kemal Atatürk. Nicht zuletzt aber auch jene tiefblauen Glasaugen gegen den bösen Blick, die von beinahe jeder Hauswand Istanbuls grüßen.

Köhlers Gedichte, auch ihr schöner Nachwort-Essay, bereichern die flickernd und flackernd wirkenden Fotoimpressionen. Ihre Augenbilder durchkreuzt sie mit Blicken auf einen Trödelladen, Treppenstufen, Kabel oder Sesamkringel. Fast immer nehmen Text und Bild aufeinander Bezug, kommentierend oder als Spiegeleffekte.

"Natürlich konnte ich die wunderbare türkische Sprache in so kurzer Zeit nicht lernen", bedauert die Sprachkünstlerin, die einst in der DDR zur "Facharbeiterin für textile Flächen" ausgebildet wurde. Nach ihrer Istanbulreise traf sie sich mit türkischen Freunden, um den vielen Wortklang-Impressionen auch in deren Bedeutung auf den Grund zu gehen.

Wie sie das schon seit vielen Jahren im Deutschen tut. "Zusehends" ist so ein Wort. Laut Duden heißt das "rasch", aber auch "offenkundig" und kündigt bereits im Buchtitel das Programm dieser Reiseimpressionen an. "In der Fremde den Worten auf die Spur kommen, das hat mich ungemein fasziniert", resümierte Barbara Köhler bei Müller&Böhm.

(RP)
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