Düsseldorf Im FFT steuert das Publikum das Theaterspiel

Düsseldorf · Tatsächlich ist das mal Theater, das etwas mit einem macht, im Kopf, aber auch mit dem Körper, vor allem zur Hälfte des Spiels. Es wurden irgendwelche Sicherheitssysteme abgestellt, weil sonst der Spionageeinsatz aufgeflogen wäre und man dann hätte nach Hause gehen können, weil das Spiel ganz einfach aus gewesen wäre — Game over.

Düsseldorf: Im FFT steuert das Publikum das Theaterspiel
Foto: Machina Ex

Die Zeit läuft einem ab, noch vier Minuten, drei Minuten, zwei, eins; es ist der Moment, in dem man sich in seinen Sitz drücken möchte, aber es gibt keinen Sitz. Es ist nämlich so, dass man das Problem lösen, dieses trötende Sicherheitsding abschalten muss. Es sieht nicht gut aus, nur noch einige Sekunden, endlich bleibt die Uhr doch stehen, das war knapp. Größter Moment des Abends, als man merkt: hat einen jetzt echt mitgenommen. Stress fällt ab. So geht "Lessons of Leaking", ein Theaterspiel des Kollektivs Machina Ex aus Berlin, mit dem das Forum Freies Theater (FFT) seine Spielzeit eröffnet hat.

Machina Ex haben eine Rundbühne und darin eine Versuchsanordnung aufgebaut. Ein Pärchen, Umzugskartons, Designer-Sofa, Flachbildfernseher. Das Publikum steht mittendrin im Grau-in-grau. Gleich beginnen die Nachrichten, aber der Fernbedienung fehlen Batterien, müssen irgendwo im Umzugswirrwarr liegen, und das Pärchen macht nun nachdenkliche Miene und fragt: Wo haben wir die hingelegt? Lass mal überlegen: hab' die Küchenwaage benutzt, den Milchaufschäumer; in Dauerschleife spulen sie die immer gleichen Sätze und Bewegungen ab - wie programmiert -, bis die Zuschauer fündig werden. Das interaktive Theater von Machina Ex ist von Computerspielen inspiriert, von "Point-and-Click-Adventures", Spiele, bei denen die Nutzer ihre Figuren per Mausklick durch die Welt schicken und Rätsel lösen lassen, damit es weitergeht. In "Lessons of Leaking" wird das Spiel begehbar, wird vom Publikum gesteuert, aber man muss keine Sorge haben, dass wie an den schrecklich-affektierten Bühnen plötzlich einer kommt und einen anbrüllt.

Als der Fernseher läuft, erfährt man, dass es das Jahr 2021 ist und die Kanzlerin (nicht Merkel) über Deutschlands EU-Austritt abstimmen lassen will. Sie ist dafür. Die Deutschen auch. Es stellt sich heraus, dass das Votum verhindert werden kann durch eine Datenmanipulation. Die Handlung wird ein wenig flach, auserzählt wird nichts, denn es müssen ja Tresore geknackt und Computernetzwerke lahmgelegt werden. Zuletzt aber holt einen die Ernsthaftigkeit mit Vollkaracho ein, die Mitspieler stehen vor der Frage, ob sie die Manipulation öffentlich machen wollen oder nicht. Wenn ja, tritt das Land aus. Die Gruppe stimmt ab, die Entscheidung ist deutlich. Man beendet den großen Theaterabend mit schlechtem Gewissen.

Termine Montag (19.9.), 17, 19 und 21 Uhr, Dienstag (20.9.), 17 und 19 Uhr, FFT Juta, Kasernenstraße 6

(kl)
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