Düsseldorf Igor Levits dritter Beethoven-Streich

Düsseldorf · Gewiss, der Vergleich des Tastenvirtuosen mit dem Extremsportler ist überstrapaziert. Im Falle des 28 Jahre jungen Igor Levit aber drängt sich das Bild des "Iron Man" geradezu auf. Denn Levit ist sowohl konditionell als auch in Sachen Vielseitigkeit derzeit unschlagbar. Und dazu begabt mit "natürlicher Unbescheidenheit", wie er in einem Interview zugab, als er sich mit seiner Debüt-CD gleich an die späten Beethoven-Sonaten heranwagte.

Levit hält sich nicht auf mit ökonomisch zusammengestellten Tour-Programmen und Stücken zum Warmspielen. Bereits mit 23 Jahren frappierte er im Schumann-Jahr mit seiner dramaturgisch ausgefeilten Interpretation von Beethovens Diabelli-Variationen. Die hat er nun auf CD herausgebracht, zusammen mit Bachs Goldberg-Variationen, die er soeben dreizehn Mal hintereinander in New York gespielt hat, eingebettet in eine verschärfende Performance-Situation von Marina Abramovic. Dreizehn Mal. Täglich!

Und dann zurück gejettet zum nächsten Großprojekt - dem dritten Abend seines Beethoven-Zyklus in der Tonhalle. Wie schafft man den Sprung aus dem Bach-Exerzitium hin zu frühen Beethoven-Sonaten? Levit sucht sein Heil in der Flucht nach vorn. Den Kopfsatz der c-Moll-Sonate op. 10,1 peitscht er so ungestüm voran, dass man die scharfen Punktierungen kaum versteht. Das Tempo rast, ist aber innerlich instabil, das Pedal beschönigt, der Klang mulmt. Im Adagio sammelt er sich, nun schält sich der edle Kern seines kraftvollen, aber niemals harten Tons heraus, das Finale irrlichtert wieder, aber das darf es, denn Beethoven schreibt vor: Prestissimo. Es folgen die kurzen Sonaten Nr. 19 und 20, die man Beethoven-Anfängern aufs Pult stellt. Er spielt sie singend, nachdenklich, mit heiterer Gleichmut und leuchtenden Piani.

Nach der Pause wird es dann wieder athletisch: Das Allegretto der eminent schweren Sonate Nr. 22 in F-Dur hebt ihn, der sonst tief gebeugt, über den Tasten horchend spielt, fast vom Hocker.

Vor der letzten Sonate des kurzen Abends, der berühmten "Appassionata", holt er noch einmal ganz tief Luft. Beginnt murmelnd, verdichtet Beethovens Unrast zu giftigem Brodeln und meißelt triumphale Aufschwünge heraus. Grandios gelingt der zweite Variationensatz als Rückzug in eine Verinnerlichung, die die Zeit außer Kraft setzt. Hier ist Levit gedanklich zuhause, bevor er im letzten Satz noch einmal technisch alle Register zieht. Bravi und Ovationen im Stehen. Als Zugabe beglückt Levit mit Busonis Bach-Berarbeitung von "Nun komm, der Heiden Heiland". Es klingt wie Heimkommen.

(RP)
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