Düsseldorf Hofnarr im Theater, Tatverdächtiger im TV

Düsseldorf · Der Schauspieler Andreas Helgi Schmid ist fest im Düsseldorfer Ensemble. Morgen ist er im Fernsehfilm "Aus der Kurve" zu sehen.

 Sein Herz schlägt für die Bühne wie für die Kamera: Andreas Helgi Schmid kann beiden Seiten des Schauspielerdaseins etwas abgewinnen.

Sein Herz schlägt für die Bühne wie für die Kamera: Andreas Helgi Schmid kann beiden Seiten des Schauspielerdaseins etwas abgewinnen.

Foto: Peter Bongard

Manchmal reicht schon ein Satzfetzen aus, dann hat Andreas Helgi Schmid den Ansatz zu einer Rolle gefunden. In Shakespeares Drama "Der Sturm", das Ende April im Großen Haus des Düsseldorfer Schauspiels Premiere hat, wird Schmid den Trinculo, einen Hofnarr, spielen.

Vor acht Wochen haben die Proben dafür begonnen, und ein Zitat des französischen Countertenors Philippe Jaroussky hat Schmid gereicht, um ein Gefühl für das Wesen des Trinculo zu entwickeln. "Sie waren gefangen in einer Kunstwelt, ihr Leben fand nur auf der Bühne statt", das hat Jaroussky kürzlich einmal in einem Interview über Kastraten gesagt. Und Schmid hat diese Aussage für sich auf die Rolle des Trinculo bezogen.

"Auf der Bühne ist er der Entertainer, da bekommt er Anerkennung. Sobald aber die Scheinwerfer erloschen sind, bekommt er keine Beachtung mehr", sagt Schmid, der fest im Ensemble des Düsseldorfer Schauspiels ist. Und zieht seine Schlüsse daraus. So wird aus dem Matrosen Trinculo, der in Shakespeares letztem Drama mit einer Schiffsbesatzung auf einer einsamen Insel vor der italienischen Küste strandet, eine tragische Figur.

Im Stück verbünden sich Trinculo und sein Kamerad Stephano mit dem Monster Caliban, um den König der Insel, den ehemaligen Herzog von Mailand, zu entmachten. Dieser ist mit seiner Tochter vor vielen Jahren von seinem eigenen Bruder entmachtet und ins Exil getrieben worden. Auf der einsamen Insel kommt es schließlich zu einem Show-down der Geschichte.

Zwischen zwei Proben sitzt Andreas Helgi Schmid auf der Café-Terrasse vor dem Schauspielhaus, aufgeschlagen vor ihm liegt ein Notizbuch, in dem er gerade noch nach dem Jaroussky-Zitat gesucht hat. Auf dem Tisch steht ein großes Glas mit Cola. Beobachtungen, Gedankenschnipsel und Zitate schreibt er sich häufig auf - auch wenn es etwas aus den Proben zu notieren gibt. "Mit den Informationen aus meinem Leben gehe ich schwanger", sagt er.

Die Erfahrungen prägen sich ein. "Deswegen wird ein Schauspieler dieselbe Rolle in zehn Jahren anders spielen." Ihm geht es um Authentizität, er will den Kellner nicht spielen, sondern der Kellner sein. Andreas Helgi Schmid, der sich meistens Helgi nennen lässt, hat an der Staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Stuttgart studiert. Danach war er drei Jahre im Ensemble des Freiburger Theaters. Früher wollte er Basketballspieler werden, doch dann merkte er in der Schule, dass er gerne auf der Bühne steht - am Anfang noch mit seiner Klarinette, später dann in der Theater-AG. Der 28-Jährige ist an der Deutschen Weinstraße aufgewachsen und hatte eine glückliche Kindheit. "Ich bin das einzige Nicht-Scheidungskind in meinem Ausbildungsjahrgang", erzählt er und lacht. Früher hat er gedacht, dass ihm deswegen ein Bruch in der Biografie fehle. Aber als Schauspieler ist er derzeit auch im Fernsehen erfolgreich.

Schmid spielt die Hauptrolle in dem ARD-Fernsehfilm "Aus der Kurve" am Mittwochabend. Er spielt Tom, einen Mann Mitte zwanzig, der mit einem Freund einen Fahrradladen in Frankfurt führt. Eines Abends trifft er Dominik, einen Bekannten aus seinem Heimatdorf, der inzwischen Kommissar ist. Der will eine DNA-Probe nehmen. In dem Heimatort wurde vor einigen Jahren ein elfjähriger Junge ermordet. Der Täter wurde nicht gefunden, und Tom gehörte zu den Verdächtigen. An die Zeit des Mordes kann er sich nicht erinnern. Tom macht sich auf die Suche nach seiner eigenen Erinnerung, um die Wahrheit herauszufinden. "Die Rolle hat mich noch einen Monat lang nach Drehende beschäftigt."

Ob Film oder Theater - beides mag Schmid zu gleichen Teilen. Beim Drehen einer Filmszene sei er immer hochkonzentriert und sehr sensibel. Der Druck, eine Szene innerhalb einer gewissen Zeit zu drehen, sei größer als im Theater. Hier könne man in der Probe sehr viel ausprobieren und auch mal scheitern. "Gerade wenn es keine Erwartungen gibt, passieren Dinge, die sich nicht planen lassen." Manchmal spiele man sich mit seinem Partner so tief in die Szene hinein, dass man glaube abzuheben. Da wäre eine Kamera doch manchmal hilfreich, um den Augenblick festzuhalten. Denn solche Momente lassen sich schließlich kaum reproduzieren. "Wenn ich jedes Mal naiv in die Figur reingehe, dann lande ich jeden Abend neu", sagt Schmid.

Der Vorteil einer auf Filmmaterial gebannten Szene kann sich auch ganz schnell als nachteilig erweisen. Nämlich dann, wenn man nach einem Drehtag abends unter der Dusche bemerkt, dass man die Szene eigentlich hätte anders spielen sollen, erzählt Schmid. "Im Theater kann ich den Einfall einfach mit in die nächste Vorstellung nehmen."

(RP)
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