Düsseldorf Grelles Kunststück in der Kunstfabrik

Düsseldorf · Der Schauspieler André Kaczmarczyk inszeniert das Stück "Jeff Koons" und spielt darin selbst eine der sechs Figuren. Ort der Aufführung ist die von Gil Bronner betriebene Sammlung Philara in Düsseldorf-Flingern.

 André Kaczmarczyk posiert mit Fellmütze im Schneesturm.

André Kaczmarczyk posiert mit Fellmütze im Schneesturm.

Foto: Thomas Rabsch/d'haus

Und wieder wird aus der Not eine Tugend gemacht. Im Düsseldorfer Schauspielhaus, das seinen Stammsitz wegen gigantischer Umbaumaßnahmen am Gustaf-Gründgens-Platz nicht bespielen kann, ist Improvisation eine der großen Stärken. Goethes "Faust" erlebte man an vielen Orten der Stadt, ebenso als mobile Produktion wurde "Die dritte Haut: Der Fall Simon" im Dreischeibenhaus von Patrick Schwarz-Schütte gefeiert. Jetzt zieht das Team um Intendant Wilfried Schulz in das noch junge private Ausstellungshaus Philara in Flingern und spielt dort eine Art Kunststück, das "Jeff Koons" heißt. Eher spontan wurde es auf den Spielplan gesetzt, zwischengeschoben. Kurz nach Bekanntwerden der Produktion waren die Premiere und die drei ersten Vorstellungen ausverkauft.

Wer den US-Künstler gleichen Namens nicht kennt, dem sei versichert, dass er eine schillernde Gestalt des Kunstbetriebs ist und dem Markt vor allem mit seinen plastifizierten grellbunten Skulpturen Höchstpreise abtrotzt. Doch Jeff Koons, der als junger Mann seine Liebe zum italienischen Pornostar Cicciolina in der Kunst plastisch-bombastisch verewigte, ist gar nicht das Thema des Stückes von Rainald Goetz. 20 Jahre ist dieser Text alt, die Dramatisierungen in der Vergangenheit haben zu ebenso heftigen Anerkennungen wie Ablehnungen geführt. Vielleicht weil all das, was man von einem Theaterstück erwartet, in diesem collagierten Text auf den ersten Blick nicht angelegt ist - so vermisst man eine Handlung, eine Chronologie und eine mit benannten Figuren beschriebene Dramaturgie. Gar nicht angestaubt findet André Kaczmarczyk diesen Text des 63-jährigen Büchnerpreisträgers. Der Schauspieler schlug ihn dem Intendanten zur Produktion vor. Dem vorausgegangen war ein Kennenlernen mit Gil Bronner, der Kaczmarczyk in seine Kunstfabrik einlud. Eine denkbar optimale Örtlichkeit für dieses Stück, fand Kaczmarczyk. In den wundervollen Sammlungsräumen an der Birkenstraße entstand "Jeff Koons" vor seinem inneren Auge. Für seine Idee der szenischen Installation gewann er Wilfried Schulz und als Co-Regisseur Felix Kracke.

Jetzt erzählt Kaczmarczyk von seiner ersten Regiearbeit. Der erfolgsverwöhnte 31-Jährige ist seit der Jugend dem Theater gleichermaßen zugewandt und verfallen. Er liebt das Theater in all seinem Reichtum. Und er sagt, dass das Theater in seinem Leben die Tür geöffnet hat zu einer anderen Wahrnehmung von Gesellschaft und Welt. "Das Theater war meine Rettung."

Nach Düsseldorf hat ihn Wilfried Schulz aus Dresden mitgebracht, beim Publikum hat er sich gleich in die Herzen gespielt, 2016 wurde ihm der Publikumspreis Gustaf verliehen, den der Freundeskreis spendiert. Schon als Junge kam er zum Theater, weil er mit neun Jahren nach dem Umzug der Familie in einer neuen Stadt warm werden musste. Die örtlichen professionell geleiteten Theatergruppen holten ihn dort ab, wo sich der einsame Jugendliche befand. Noch vor Eintritt in die Ernst-Busch-Schauspielschule hatte Kaczmarczyk Erfahrung mit dem täglichen Brot des Mimen, mit Repertoire, mit Proben, Premieren und Applaus. Letzteres ist schön, aber für ihn nicht das Wichtigste. Wichtig sind vielmehr die Ernsthaftigkeit seiner Arbeit, die Tiefe des Denkens, die Virtuosität des Spiels. Dass die deutschen Theater derzeit einen Bedeutungsverlust erleiden, stellt er fest und findet das gar nicht gut.

Seine erste Regiearbeit ist für ihn auch ein Experiment, das ihn freudig erregt. Feldstudien habe er in Düsseldorfer Kunstzirkeln nicht betrieben, aber hier und da gespäht. In Flingern, wo der ausdauernde Museumsgänger daheim ist, regen die vielen guten Galerien zur Beobachtung des Kunstbetriebs an. Besonders angetan hat es ihm der jährlich stattfindende Akademierundgang, in dessen Gewimmel er manches so prätentiös empfand, "dass man hätte tot umfallen können".

Dies alles erzählt André Kaczmarczyk mit Ruhe und Wonne. Kunst, das spürt man, endet für ihn nicht an der Theaterpforte, sondern sie spinnt sich fort in alle Bereiche der Kultur. Kunst ist universell erlebbar und verankert für den in Suhl geborenen Mann mit polnischen Wurzeln. Mit dem Liederabend "Heart Of Gold", den er leitete, hat er das Düsseldorfer Publikum begeistert und seine Affinität zur Musik bewiesen. In "Jeff Koons" wird die Musik wieder wichtig sein. Sie soll die Umstände der Entstehung des Stückes, die 1990er Jahre, so zeitgeistig reflektieren wie es möglich ist. Thomas Klein, Drummer von Kreidler, hat den Soundtrack komponiert. "Alles wird grell, lebendig und bunt, wir haben nichts versucht, zu nivellieren", sagt Kaczmarczyk. "Wir haben nur das Alter ein wenig herausgebürstet."

(RP)
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