Düsseldorf Graffiti aus dem Mittelalter und ein Mord

Düsseldorf · Wissenschaftler haben in Düsseldorf jahrhundertealte Inschriften aufgespürt. Die Arbeiten auf Grabplatten, Glocken und Kirchenwänden erzählen aus der Vergangenheit der Stadt - und von einem Kriminalfall.

 Wandmalerei aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts im Chorumgang von St. Lambertus in Kaiserswerth mit der Inschrift:

Wandmalerei aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts im Chorumgang von St. Lambertus in Kaiserswerth mit der Inschrift:

Foto: Gerda Hellmer Arbeitsstelle Inschriften Bonn

Der Mord geschah an Weihnachten. Am 25. Dezember 1652 wurde Heinrich Schippers nach dem Abendgottesdienst erschossen. Der Junggeselle aus Itter starb auf einem Fußmarsch hinter Wersten auf ehemals Mettmanner Gebiet im Kugelhagel, so ist es im Sterbebuch der Pfarre Itter nachzulesen. Getroffen "von einer Kogeln durch die brost, das sich uber funfftig locher im leib gefunden". Ermordet wurde er von Männern aus Himmelgeist, ein Wilhelm Dam wurde als mutmaßlicher Todesschütze verdächtigt. Das stand auf Schippers Grabstein - herausgefunden haben das Forscher der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

Die Wissenschaftler haben in Düsseldorf Inschriften gesucht, gefunden und analysiert, also Beschriftungen etwa auf Grab- und Gedenksteinen, Glocken, Kelchen und Bildern. Ein Forschungsthema, sperrig wie eine Grabplatte - so scheint das im ersten Moment. Wer aber näher hinsieht, dem erzählen die Inschriften etwas über die Geschichte der Stadt und ihre Bewohner. "In den Inschriften spiegelt sich vieles schlaglichtartig wider", sagt Forscherin Ulrike Spengler-Reffgen. Zuweilen ist das tragisch wie im Mordfall Heinrich Schippers.

Untersucht wurden ausschließlich Inschriften aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit, die für Düsseldorf gefertigt wurden. 226 solcher Arbeiten haben die Forscher für die Zeit bis zum Jahr 1653 entdeckt - dem Schlusspunkt der Forschung. Das ist das Todesjahr von Wolfgang Wilhelm, dem Herzog von Jülich-Berg und Pfalzgrafen von Pfalz-Neuburg, der in der Residenzstadt Düsseldorf starb. Als er knapp 40 Jahre zuvor zum katholischen Glauben konvertiert war, sorgte das unter den protestantischen Einheimischen für Unmut. Wie aus Überlieferungen deutlich wird, soll, als der Herzog mit Gattin Magdalena das Schloss verließ, um seine Konversion öffentlich zu machen, ein Graffito über dem Tor zu lesen gewesen sein: "Jeder Abtrünnige (wird) zum Verfolger seines (bisherigen) Standes." Die Protestanten hatten Angst, ihren Glauben nicht mehr ausüben zu dürfen.

Derlei Geschriebenes findet sich Vieles, kommenden Monat erscheint ein Buch dazu. "Die Inschriften der Stadt Düsseldorf" heißt der Katalog. Der Band ist Teil eines bundesweiten Projekts. Ulrike Spengler-Reffgen von der Forschungsstelle Inschriften in Bonn hat den Band unter anderem erarbeitet. Sie hat einschlägige Literatur, Verzeichnisse und Fotos studiert, die Standorte möglicher Arbeiten abgeklappert, sie ist auf Glockentürme geklettert und in Grüfte hinabgestiegen. Sie hat Lateinisches übersetzt und Unlesbares entschlüsselt. Die älteste Inschrift ist übrigens aus dem späten 11. Jahrhundert. Es ist der Weihevermerk für die heute nicht mehr erhaltene Georgkirche in Kaiserswerth. Zuweilen fanden sich Inschriften plötzlich und unerwartet. In St. Lambertus kam neben großen Wandmalereien etwa auch eine alte Grabplatte unter den Altarstufen zum Vorschein, erzählt Spengler-Reffgen. Das fasziniere sie an ihrer Arbeit. "Man muss schon eine detektivische Ader haben."

Einige gute Ermittler hätten auch dem Mordfall Heinrich Schippers gutgetan. Erst zwei Tage nach dem Mord hat sich die Obrigkeit von Mettmann den Tatort angesehen. Ob der Mörder je gefasst und bestraft wurde, ist nicht übermittelt.

(kl)
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