Düsseldorf Geld scheffeln in der Millionärs-Show

Düsseldorf · Die erste Premiere der Bürgerbühne begeistert mit ihrem Sozialrealismus. Die Darsteller spielen in "Das kalte Herz" ihr wahres Leben.

Der erst zwölf Jahre alte Pablo Vuletic (oben) bei der Ausschüttung - mit Jörg Uwe Gerhartz.

Der erst zwölf Jahre alte Pablo Vuletic (oben) bei der Ausschüttung - mit Jörg Uwe Gerhartz.

Foto: Thomas Rabsch

Als letzte ist auch die Bürgerbühne des Schauspielhauses an den Start gegangen. Sonntagabend hatte das Lieblingskind und aus Dresden importierte Vorzeigeprojekt von Intendant Wilfried Schulz Premiere im Kleinen Haus des Central. "Das kalte Herz" heißt das Märchen von Wilhelm Hauff, aus dem ein aktuelles Stück entwickelt wurde. Geld, Gier und Kaltherzigkeit in der Gesellschaft sind Thema. Der Märchenstoff ist in seiner Komplexität fast verschwunden. Stattdessen ist eine Erzählung aus dieser Zeit entstanden, nicht einmal parabelhaft ausgeschmückt, sondern eine Aneinanderreihung von verschiedenen Fallgeschichten.

Was formal dann zu erleben ist: Eine Spieleshow mit zwei ungewöhnlich begabten jugendlichen Moderatoren (Philine Berges, 13) und Pablo Vuletic (12). Die acht erwachsenen Kandidaten sind auch Hobby-Spieler, denen aber wenig Amateurhaftes bescheinigt werden muss. Denn mit großem Ernst und mit Gewandtheit steigen sie in ihre Rollen, die nicht erfunden sind. Tatsächlich spielen die Frauen und Männer in Ausschnitten ihr eigenes Leben. Das macht "Das kalte Herz" authentisch. Und das berührt.

Genialer als bei dem allseits bekannten und beliebten TV-Abend mit Günther Jauch fällt im Schauspiel die Bühne aus (verantwortlich: Kirsten Dephoff). Geschätzt Zigtausende echte Centstücke bedecken mehrschichtig ein Bodenquadrat von vielleicht zehn mal zehn Meter. Reale 10.000 Euro liegen da herum. Das übt Magie aus. Bei jedem Schritt knarzt und schabt das verführerisch glitzernde Kupfer, das mitunter bis an die Füße der Erste-Reihe-Zuschauer rollt. Man rutscht auf diesem Cent-See glatt aus, ist man nicht aufmerksam genug beim Schrittesetzen. Es ist so viel Geld da, dass man darin schwimmen oder sich die Taschen damit ordentlich vollmachen kann. Sogar mit Schaufeln und Schubkarren kann man sich daran bedienen. Am Ende von 90 kurzweiligen und berührenden Minuten scheffeln übrigens fast alle Geld - heftig und so viel, sie eben können - ein Stück Moral von der Geschicht', die niemanden überrascht.

Dem Geld als Bodensatz ist der Schwarzwald als poetischer Überbau gegenübergestellt. Ein XXL-Plakat mit Heimatidyllischem wie Kirschtorte und Ponpon-Hut. Der Mensch vagabundiert oft lebenslang durch Räume zwischen Realität, Illusion und Hoffnung, mal geht es gut aus, mal hält das Leben Gemeinheiten und Grausamkeiten vor. Gerade in der Schere zwischen Arm und Reich. Jeder weiß, Geld macht nicht glücklich. Doch ohne Geld ist das Leben schwer. Noch schwerer sind Geldgeschäfte oder der alltägliche Umgang mit Geld.

Lauter Geldgeschichten erzählen die Menschen auf der Bühne, meist sind es Niederlagen, jemand hat sich verrechnet, jemand wurde verführt, jemand ist niemals im Leben so weit gekommen, dass er Mindestlohn erhalten hätte. Und einer, nennen wir ihn Jörg, wurde sogar obdachlos aus vielerlei oben genannten Gründen. Seine Geschichte ist ungewöhnlich, weil der echte Jörg Uwe Gerhartz in der Zeit, als er im Düsseldorfer Wehrhahn-Tunnel lebte, von einer Künstlergruppe entdeckt und unterstützt wurde. So hat er gelernt, wieder Fuß zu fassen.

Heute steht der ehemalige Altenpfleger, Zeitarbeitsfirmenmitarbeiter und heute selbstständige Gebäudedienstler Jörg auf der Bühne mit den anderen, die ihre Geschichte erzählen und - so will es die Spielregel - Wünsche formulieren. Aufgelöst werden die Schicksale nicht, bestimmend bleibt die Präsenz des Geldes von Anfang bis Ende.

Der Regisseur und Leiter der Bürgerbühne, Christof Seeger-Zurmühlen, hat ein ungewöhnliches Format für das bürgerliche Märchen gefunden. Das Thema könnte fast besser nicht aufgehoben sein als in einer Spieleshow. Die Kraft dieses Regisseurs, Menschen zu poetischen Handlungen anzustiften, hätte er mehr ausspielen sollen. Dann wäre das Stück weniger harsch ausgefallen. So schafft nur die Musik (Bojan Vuletic) freie Räume, die der Zuschauer braucht, um die Lebensdramen einzelner aufzunehmen.

Am Ende wird immer abgerechnet, auch die 10.000 Euro müssen zur Sparkasse zurück. Sie haben immerhin für geistige Bereicherung gesorgt und für großen Applaus.

(RP)
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