Düsseldorf Für diese Rolle ging sie zum Analytiker

Düsseldorf · Claudia Eisinger spielt die Hauptrolle im Kinofilm "Mängelexemplar". Begonnen hat ihre Karriere in Düsseldorf am Schauspielhaus.

Karo geht es manchmal nicht gut. Dann schwappt eine Welle Traurigkeit in ihr Leben, und sie kommt nicht dagegen an. Doch seit sie ihren Job in einem dieser schicken Kreativunternehmen verloren hat, "weil sie so schwierig" ist, kommen auch noch Angstattacken hinzu. Und die sind nun wirklich Gift fürs Leben. Und für die Liebe.

Claudia Eisinger hat vier Sitzungen beim Psychoanalytiker absolviert. Als Karo. Um tief hineinzufinden in ihre Rolle - auch in die Schichten des Unterbewussten. Sie spielt die depressive junge Frau, von der Sarah Kuttner in ihrem Roman "Mängelexemplar" erzählt. Seit Donnerstag ist die Verfilmung unter demselben Titel im Kino.

"Ich kenne düstere Stimmungen durchaus aus dem eigenen Leben, darum war es nicht schwer, in die Rolle zu finden", sagt Claudia Eisinger (31). "Ich mag Karo sehr, sie ist ein Teil von mir, und ich bin ein Teil von ihr, aber die Figur hat natürlich auch große Schwere, die hab' ich mit Ende der Dreharbeiten gern auch wieder abgegeben."

Ein Jahr hat sich Eisinger auf die Rolle vorbereitet. Die wichtigsten Szenen wurden dann relativ kompakt in sechs Wochen gedreht. Für Eisinger eine wichtige Erfahrung, denn sie hat bereits in einigen Kinofilmen mitgespielt, etwa an der Seite von Max Riemelt in "13 Semester", aber die Karo in "Mängelexemplar" ist ihre erste ganz große Rolle. Sie ist in jeder Szene zu sehen, trägt den Film. Und die Berlinerin macht ihre Sache gut, hält die Figur zwischen Komik und Tragik, macht sie nicht zu einer hysterischen Heulsuse, sondern zu einer charmanten jungen Frau, die die üblichen Probleme hat mit dem Job, dem Freund, dem Leben. Sie nimmt nur alles ein bisschen schwer. Und sie kennt die Muster der Depression, denn auch ihre Mutter hat mit dieser Traurigkeit zu kämpfen, die manchmal anfliegt und Besitz ergreift und einen Menschen lähmt. Der Film erzählt davon nicht ganz so flott und aufgekratzt wie Sarah Kuttner in der Romanvorlage, aber durchaus in heiterem Ton.

Eisinger hat ihre Karriere als Schauspielerin in Düsseldorf begonnen. Noch vor Abschluss der Ernst-Busch-Schauspielschule, die sie in Berlin besuchte, debütierte sie als "Käthchen von Heilbronn" am Schauspielhaus. Die damalige Intendantin Amélie Niermeyer führte Regie. Auch in Kafkas "Amerika" war sie dann noch einmal zu erleben. Doch obwohl Eisinger positive Kritiken erhielt, waren die Monate in Düsseldorf für sie nicht unbeschwert. "Ich hatte riesigen Respekt vor der großen Bühne im Schauspielhaus, und natürlich war es toll, dort zu spielen", sagt Eisinger, "aber es war für mich persönlich eine schwierige Zeit, und ich bin in der Stadt nie richtig angekommen." Vielleicht habe das daran gelegen, dass sie bereits wusste, dass sie nicht lange in Düsseldorf bleiben würde. Jedenfalls nutzte sie jedes freie Wochenende, um sich in den Zug zu setzen und zurück in die Heimat zu fahren - nach Berlin. Dort lebt sie auch heute. Für eine Filmschauspielerin der richtige Ort, findet Eisinger. Dem Theater hat sie inzwischen den Rücken gekehrt. Zwar war Düsseldorf für sie ein gutes Sprungbrett. Von dort ging sie erst nach Dresden, dann nach Berlin ans Deutsche Theater, aber sie stellte bald fest, dass sie nicht der Typ ist, um fest in einem Stadttheater-Ensemble zu arbeiten. "Man hat sehr wenig Entscheidungsfreiheit, andere bestimmen, welche Rolle man spielt", sagt sie. Darum kündigte sie 2011, ist als freie Film-Schauspielerin unterwegs und arbeitet selbst an Stoffen. "Ich bin immer auf der Suche nach Themen, die mich interessieren und inspirieren", sagt Eisinger, "man ist als Schauspielerin ja nicht dazu verdammt, immer nur auf Angebote zu warten, man kann auch selbst aktiv werden, Stoffe suchen und Partner dafür."

Doch nun ist Eisinger erst einmal als "Mängelexemplar" auf Tour und begleitet den Film von Regisseurin Laura Lackmann zu den Premieren in der ganzen Republik. Der Hauptdarstellerin macht das großen Spaß, weil sie neugierig darauf ist, wie der Film ankommt. "Wir hatten schon sehr berührende Publikumsgespräche, in denen Menschen von ihren eigenen Erfahrungen mit Angst und Depression erzählt haben", sagt Eisinger. Viele fänden es toll, dass der Film tragisch, aber genauso auch witzig sei, und genau das gefalle auch ihr selbst. "So ist es ja auch im Leben", sagt Eisinger, "Euphorie, Humor und Abgrund liegen nah beieinander."

(dok)
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