Düsseldorf Fabien Prioville lässt sich von Pina Bausch inspirieren

Düsseldorf · Was passiert mit einer Geschichte, die eigentlich schon erzählt scheint? Für Fabien Prioville, der jahrelang mit und für Pina Bausch getanzt hat, gab es da noch mehr zu erzählen.

 Bausch setzte auf Holz-, Prioville setzt auf Plastikstühle.

Bausch setzte auf Holz-, Prioville setzt auf Plastikstühle.

Foto: Mischa Lorenz

Bauschs Stück "Café Müller" zählt zu den Meisterwerken des Tanztheaters, es wäre wohl wenig sinnvoll gewesen, das Café wieder zu eröffnen, ohne es zu verändern. Darum hat Prioville das Stück zwar zum Ausgangspunkt seiner neuen Choreografie gemacht, entstanden ist allerdings eine Auseinandersetzung - etwas Eigenes. Wer Bauschs "Café Müller" kennt, darf vergleichen, wer nicht, ist vielleicht in der günstigeren Position. Schon gleich zu Beginn wird "Closed" an die Wand geschrieben, das "Café Müller", das wir kennen, existiert nicht mehr. Bei Prioville heißt es "La Suite".

Geblieben sind jedoch Teile von Bauschs Handschrift, die fast zwanghaften Wiederholungen, die Virtuosität im Kleinen, das erzählerische, das theatralische Element. Tänzerin Vivien Wood setzt hier entscheidende Akzente, durchbricht immer wieder den Fluss der Bewegung und treibt ihn dann wieder voran. Das tut sie bereits durch ihre Texteinschübe mit einer Band, die mehr ist als nur Begleitung. Die Mischung aus Jazz, Blues und Chanson ist ein Kunstwerk für sich. Verantwortlich dafür ist auch die expressive Jazzsängerin Emma Bonnici und der schon legendäre Drummer Chris Cutler, der als einer der einflussreichsten Avantgarde-Schlagzeuger gilt.

Was geschieht nun mit den ehemaligen Gästen des Cafés, darunter auch Prioville selbst? Nun, sie sind immer noch die Besucher eines Kontakthofes im wahrsten Sinne, stets auf der Suche nach Annäherung. Das Feuer der Liebe wird entfacht, aber die Desillusion ist nicht weit. "Wir heirateten schon nach zwei Wochen. Dann nahm er mir all mein Geld", heißt es. Lust kann hier schnell in Schmerz umschlagen.

Wenn das Tanztheater Pina Bauschs oft durch die schlichten Holzstühle gekennzeichnet war, sind sie bei Prioville durch jene allgegenwärtigen Plastikmöbel ersetzt, die das Ganze noch mehr zu einer Arte Povera, einer Kunst der Armut machen lassen. Doch gibt es inmitten der sterilen Schäbigkeit auch virtuose Augenblicke, in denen mit etwas Geschirr jongliert wird und die einsamen Charaktere so etwas wie Zuflucht finden.

"Ist das noch Tanz?", fragte ein Zuschauer nach dem langen Applaus. Kommt darauf an, was man erwartet. Fabien Prioville hat sich in jedem Fall mit "La Suite" als Tänzer und Choreograf erwiesen, der zurückblicken und zugleich nach vorne schauen kann.

(RP)
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