Düsseldorf Er wollte doch bloß in Ruhe fremdgehen

Düsseldorf · "Außer Kontrolle" heißt die gelungene neue Produktion in der "Komödie". Es geht um ein Schäferstündchen im Luxus-Hotel.

 Männer in Not (v.l.): Martin Armknecht, Michael Greiling, Markus Friedmann, Max Claus.

Männer in Not (v.l.): Martin Armknecht, Michael Greiling, Markus Friedmann, Max Claus.

Foto: Rafaele Horstmann

Als Leiche hat man´s auch nicht leicht. Man klemmt im Fenster, wird in den Schrank gehängt, durchs Zimmer geschubst und aufs Sofa verfrachtet. Jedenfalls in der Farce "Außer Kontrolle", für die der Brite Ray Cooney mit schwarzem Humor irrwitzige Situationen ersonnen hat. Mit sicherer Hand inszenierte die Schweizer Regisseurin Pia Hänggi den unverwüstlichen Schwank für die "Komödie". Fazit: ein durchweg glänzendes Ensemble, reichlich Schwung und klug platzierte Pointen, die gelegentlich im Gelächter untergehen. Kein schlechtes Zeichen.

Schauplatz ist die Suite des feinen Westminster Hotels. Staatsminister Richard Willey, mit Michael Greiling stimmig besetzt, schwänzt die Londoner Parlamentsdebatte und fiebert macho-mäßig seinem Schäferstündchen mit der reizenden Jane (Anna Kretschmer) entgegen: "Wieso hast du dein Negligé noch nicht an? Also hopp-hopp!" Jane, Sekretärin der Opposition, ist wie ihr Galan verheiratet. Kaum kehrt sie leicht bekleidet wieder, macht das Seitensprung-Paar nach dem Öffnen der Vorhänge eine grausige Entdeckung: Der Mann, der über der Fensterbrüstung zum Balkon hängt, ist offenkundig mausetot.

Natürlich fürchtet der feine Herr um seinen Ruf. Als Politiker und erst recht als Ehemann kann er sich keinen Skandal leisten. Also muss die Leiche schleunigst verschwinden. Einen Plan dafür hätte er auch, doch ein überaus beflissener Hotelmanager (Volker Conradt) und ein schluffiger Kellner (Martin Armknecht als ulkiger Wiedergänger des Dieners in "Dinner For One") machen ihm einen Strich durch die Rechnung. In der allergrößten Not kommandiert Willey seinen Sekretär George Pigden her. Max Claus, in dieser süffigen Rolle gegen den Strich gebürstet, spielt ihn mit einer solchen Inbrunst, dass ihm sofort alle Herzen zufliegen. Rote Socken, braver Scheitel - ein köstliches Kerlchen. Um seine eigene Haut zu retten, treibt ihn sein Chef immer tiefer in unentwirrbare Lügengespinste und feuert ihn an: "Es ist nicht an der Zeit, zögerlich zu sein." George soll klar Schiff machen, doch das Gegenteil ist der Fall. Sein gutwilliges Eingreifen setzt nur noch mehr Verwicklungen in Gang.

In der Suite geht es zu wie im Taubenschlag. Öffnen sich hier permanent die Türen, ist das kein abgenudeltes Boulevard-Gebaren. Es bedeutet jedes Mal Schrecksekunden für die geplagten Akteure - und einen Mordsspaß fürs Publikum. Nacheinander geraten noch ins schräge Spiel: die Politikergattin (Verena Wüstkamp), Krankenschwester Gladys (Mirjam Radovic) und Wüterich Ronny (Fabian Goedecke). Und irgendwann wird auch der Leiche (Markus Friedmann) wieder Leben eingehaucht, zumindest vorübergehend.

"Außer Kontrolle" ist so abstrus wie raffiniert gebaut. Dem Publikum geht es zuletzt zwar wie dem armen George, der abwechselnd den Flitterwöchner, den feurigen Liebhaber oder den Arzt mimen muss und auch noch zwei Brüder aufgehalst bekommt: Es verliert bei dem Durcheinander auf der Bühne schon mal den Durchblick. Und ja, gegen Ende packt Ray Cooney ein bisschen viel des blühenden Unsinns obendrauf. Doch in einer temporeichen Farce wie dieser kann man das schlucken, es schmälert das Vergnügen keineswegs. Aufbrausender Beifall, aufspringende Zuschauer - eine rundum gelungene Premiere.

Theaterchefin Katrin Schindler hat mit dieser personalintensiven Produktion Mut gezeigt. Schön, wenn sich das auszahlen würde. Die Mords-Gaudi dürfte ein Treffer werden und der "Komödie" in stürmischen Zeiten gut tun.

(RP)
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