Düsseldorf Ein Typ wie Wallander - aber von Dürrenmatt

Düsseldorf · Die Deutschen lieben Krimis. Sonntagsabends sitzen sie mehrheitlich vor der Glotze und schauen "Tatort" oder spätabends skandinavische Thriller. Jetzt können sie das Ganze noch viel subtiler erleben, hintergründiger, dramatischer, entrückter, abstrakter, theatralischer: Im Düsseldorfer Schauspielhaus ist eine Produktion angelaufen, die im weitesten Sinne einen Kriminalfall behandelt, die Tat freilich auslässt.

 Szene aus Dürrenmatts Stück "Das Versprechen" in Düsseldorf.

Szene aus Dürrenmatts Stück "Das Versprechen" in Düsseldorf.

Foto: Rabsch

Friedrich Dürrenmatt, der selbst von einem "Requiem auf den Kriminalroman" sprach, hat uns dieses Stück beschert, das er zunächst als Filmskript verfasst hatte und das mit Heinz Rühmann und Gert Fröbe in den Hauptrollen sehr erfolgreich wurde. 1958 schrieb er den Stoff um zum Roman "Das Versprechen", der nun von Tilmann Köhler für Düsseldorf auf die Bühne gebracht wurde.

In diesem Krimi fehlt nicht nur die Tat. Auch der Täter kann am Ende blöderweise nicht gefasst werden. Er ist längst tot. Was bleibt, ist die psychologische Feinarbeit an den Charakteren, die im Spannungsfeld von Gerechtigkeit und Recht letztlich ratlos vorgehen. Nur einer nicht, auf den sich alles fokussiert, einer wie TV-Kommissar Wallander, der als einsames Tier seine Fährten verfolgt, ein Versprechen an die Eltern des Opfers einhalten und den Täter stellen will. "Er wird kommen", sind die ersten Worte in dem Zweistundenstück, die Kommissar Matthäi spricht. Mit ihm, den Florian Lange sensibel, unbeirrbar und bärbeißig genug ausstattet, durchlebt das Publikum das Auf und Ab der Ermittlungsarbeit.

Anders als im Roman sind die Erzählstränge verwirrend, erst am Ende ist der komplexe Fall einigermaßen erfasst. Zum Glück hat Karoly Risz eine grandiose, augenfällige Bühne eingerichtet mit Achsenspiegelungen und Kinderzeichnungen, die typisch sind für die Fantasie von kleinen Opfern. Schließlich wurde ín einem Dorf ein Mädchen ermordet, sogleich ein Hausierer verdächtigt, trotz Unschuld zum Geständnis gezwungen, dann erhängte er sich. Matthäi beißt sich fest an dem Fall, setzt seine berufliche Existenz aufs Spiel und ein zweites Mädchen als Köder an. Er will den Mörder fangen, er ist sich sicher, dass sein Kalkül aufgeht, sein System funktioniert. Das Schicksal spielt indes dagegen, theoretisch wäre sein Plan aufgegangen, praktisch aber stirbt der Mann, bevor er erneut zum Täter werden kann. Matthäi, das ist die Tragik, scheitert nicht nur als Kommissar, sondern auch als Mensch.

Sechs Personen und eine frappierend menschenähnliche Puppe führen das düstere Kammerspiel auf - ohne Pause. Sie sind dem Requiem gemäß schwarz-grau-weiß gekleidet, sie tragen mehrstimmige Gesänge vor, und sie wechseln die Rollen: Thomas Wittmann als Dr. H. und Mögendörfer, Minna Wündrich gibt Frau Moser und Frau Heller, Kilian Land ist mal Autor, dann Hausierer oder Fischerjunge. Sebastian Tessenow kommt als Henzi und Herr Moser bedrohlich über die Rampe. Auffällig ist die von Johanna Kolberg geführte Puppe und von hoher Präsenz. Das Puppige könnte das Hilflose nicht besser ausdrücken wie zugleich das Reizvolle betonen, was Männer womöglich zu Tätern an Kindern werden lässt.

Das Regieteam hat interessante Einfälle und Supereffekte umgesetzt. Doch tatsächlich vermag die Geschichte nicht zu berühren. Es schwächelt beim Erzählduktus. Längen gibt es auch. Das Publikum applaudierte aufmerksam.

(RP)
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