Düsseldorf Ein Festival für die Zukunft der Kunst

Düsseldorf · "Die Digitale" präsentiert ab Freitag Werke von Künstlern und Musikern, die von Digitalisierung und Technisierung erzählen.

 "Pixelhead" heißt die Mütze von Martin Backes, die auf Fotos die Anonymität des Trägers sichern soll.

"Pixelhead" heißt die Mütze von Martin Backes, die auf Fotos die Anonymität des Trägers sichern soll.

Foto: Martin Backes/Die Digitale

Das Abbilden der Gegenwart ist das Schwierigste überhaupt, denn man muss unheimlich schnell sein, um in den Blick nehmen zu können, was jetzt passiert. Das Festival "Die Digitale" versucht nun aber genau das; es möchte Unmittelbarkeit greifbar machen, und zwar in der Bildenden Kunst ebenso wie in der Musik. Performances, Konzerte, Vorträge und Filmvorführungen sollen darlegen, wie stark das Digitale unsere Zeit nicht bloß durchdringt, sondern formt. Das Festival beginnt am kommenden Freitag mit einer Ausstellung im Weltkunstzimmer, es dauert insgesamt zwei Wochen und erstreckt sich über die ganze Stadt. Gegenwart passiert schließlich überall.

Werner Pillig ist einer der Erfinder dieser ambitionierten Veranstaltung. Er studierte an der Kunstakademie, er war Meisterschüler von Nam June Paik, was seine Nähe zur medienbasierten Kunst erklärt. Und wenn man mit dem Eventmanager und Filmproduzenten spricht, spürt man die große Begeisterung des 57-Jährigen für das, was um ihn herum passiert. Er hat Lust auf Experimente, er will austesten und rumprobieren, kurzum: Er will wissen, wohin die Reise geht. Deshalb veranstaltet er gemeinsam mit Peter Witt, einst Vorsitzender des Kunst- und Kulturvereins "Damen und Herren", die Digitale.

Man kann dort unter anderem die faszinierende Düsseldorfer Musikerin Pony erleben, die soeben ihr Techno-Album "Est" veröffentlicht hat. Man begegnet den per Computer gefrästen Holzkulpuren von Aron Demetz, die schon im italienischen Pavillon bei der Biennale in Venedig für Aufsehen sorgten. Martin Backes präsentiert sein "Pixelhead", eine Kappe, deren Muster so angeordnet ist, dass es auf Fotos verschwimmt und die Anonymität des Trägers im Zeitalter totaler Überwachung sichern soll. Und Stefan Schneider bestreitet ein Solo-Musik-Set nur mit Synthesizer und Rhythmusmaschine.

Pillig möchte Künstlern ein Forum geben, die mit einfachen Mitteln ihre Gedanken zur Zeit ausdrücken. "Low Tech Art" hat er als Oberthema des Festivals ausgerufen. Er kooperiert mit 13 Off-Räumen, die je eigene Künstler und Kreative vorgeschlagen haben und ausstellen werden. So ergibt sich ein Netzwerk, in dessen Maschen sich all das verfängt, was zusammengesetzt unsere Gegenwart ergibt.

Pillig und Witt lassen sich von Carsten Heisterkamp und Stefan Jürke unterstützen, die je eigene Bereiche kuratieren. Und gemeinsam versuchen sie auch, Traditionslinien freizulegen und sich von ihnen an die Ursprünge führen zu lassen. So ist der prominenteste Termin sicher der Auftritt der Berliner Musiklegende Manuel Göttsching in der Tonhalle. Bestimmt sind dem einen oder anderen die grellroten, von Katharina Drasdo designten Plakate im Stadtbild aufgefallen, die allerorten "Die Zeugung des Techno aus dem Geist des Krautrock" verkünden. Der Satz spielt auf die Komposition "E2-E4" an, die Göttsching in Düsseldorf aufführt. Er schuf das Werk 1981, und es dient seither als Blaupause für verschiedene Spielarten elektronischer Musik. Noch heute berufen sich nachgeborene Kollegen wie LCD Soundsystem auf das rund 60 Minuten lange Stück.

Im vergangenen Jahr gab es die erste Ausgabe der "Digitale", und was man da präsentiert bekam, war irritierend, anregend und bewegend. Man kam aus den Konzerten und Veranstaltungen und spürte so eine konstruktive Unruhe. Das hat wohl auch das Kulturamt erkannt, jedenfalls fördert es "Die Digitale" im diesem Jahr erstmals mit 20.000 Euro. OB Thomas Geisel wird eine Eröffnungsrede halten. Ansonsten setzen Pillig und Co. auf Sponsoren.

"Die Digitale" ist der Versuch, diese Stadt, die ihren Traditionen mitunter allzu sehr verbunden ist, beim Erfinden des Neuen zu unterstützen. Vielleicht kann man das Festival als Kongress bezeichnen. Es geht dort nicht ausschließlich um die Gegenwart. Man sieht schon die Zukunft aufleuchten.

(hols)
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