Düsseldorf Die "Königsallee" wird politisch

Düsseldorf · Wolfgang Engel richtet den Roman von Hans Pleschinski für die Bühne ein. Eine Inszenierung mit wenig Lokalkolorit.

 Regisseur Wolfgang Engel (72) inszeniert in Düsseldorf die Uraufführung des Romans "Königsallee".

Regisseur Wolfgang Engel (72) inszeniert in Düsseldorf die Uraufführung des Romans "Königsallee".

Foto: Sebastian Hoppe

Als Intendant Günther Beelitz den Regisseur telefonisch anfragte, ob er sich vorstellen könnte, die Uraufführung des Romans "Königsallee" zu übernehmen, war Wolfgang Engel sogleich angetan. Schließlich kannte er das Stück. Er hatte sich das Buch von Hans Pleschinski 2013 gekauft, nachdem er mehrere positive Rezensionen gelesen hatte. Und es gefiel ihm auf Anhieb, regte ihn an.

"Der Stoff ist großartig. Ich fand es ganz spannend, dass Pleschinski versucht, im Stil von Thomas Mann zu schreiben, dessen feine Ironie aufgreift und dabei nie verletzend ist." Kurzum: Engel hatte Beelitz zugesagt und ist jetzt in den Endproben für die Uraufführung im Schauspielhaus am Samstag.

Nach der Morgenprobe treffen wir im "Teatro Piu" zusammen. "Alles geht auf, so wie ich mir das vorgestellt habe", sagt er. Der 1943 in Schwerin geborene Regisseur, der ein Theatertier ist und dessen Inszenierungen man gar nicht alle in diesem Rahmen aufzählen kann, erzählt von seiner Begeisterung für literarische Stoffe. "Joseph und seine Brüder" hat er 2009 in Düsseldorf gezeigt, Uwe Tellkamps "Der Turm" 2010 in Dresden, dazu "Der Meister und Margarita", "Amerika", "Die letzten Tage der Menschheit" und andere. "Diese Themen faszinieren mich", sagt Engel, ich habe immer nach literarischen Vorlagen gesucht, die groß sind." Nun trägt er allerdings Sorge vor den falschen Erwartungen der Düsseldorfer. Das Stück "Königsallee" wird in keinem Moment die Kö zeigen, so wie sie der Einheimische erlebt und liebt.

An der Kö, im legendären Hotel "Breidenbacher Hof", ist allein die Handlung verortet: Im Jahr 1954 kehrt zum ersten Mal nach Kriegsende Literatur-Nobelpreisträger Thomas Mann dort ein, mit Frau Katia und Tochter Erika belegt der während des Nazi-Regimes ins Exil geflohene Schriftsteller drei Suiten. Gleichzeitig ist seine in literarischen Figuren verarbeitete Liebe aus den 1920er Jahren, Klaus Heuser mit seinem Freund Anwar, Gast in dem vornehmen Hotel. In Düsseldorf soll Thomas Mann eine politische Rede halten, die Stadt ist in Aufruhr. Und die Erinnerung holt alle ein.

Engel spricht von der "Düsseldorfer Fassung" des Romans, der eine Dramatisierung durch Ilja Richter zugrunde liegt. Richter hatte das Stück bereits für kleinere Bühnen eingerichtet, 2017 soll es auf Tournee gehen. "Wir halten uns total an den Roman", sagt Engel, der gemeinsam mit Oliver Held die Fassung erarbeitet hat. Sie hätten Respekt vor dem Text, "und wir werden die politische Dimension verstärken". Die Rede von Thomas Mann, die auf der Bühne ungekürzt gezeigt wird, ist so aktuell, sagt Engel, dass sie vor vier Wochen hätte geschrieben werden können. Die Einwürfe des Autors zum Zeitgeschehen will er akzentuieren, sie sind "das Salz in der Suppe". Aber auf der Bühne erscheint auch eine Figur, die man aus dem Roman nicht kennt. Ein Conférencier wurde erfunden, der die Rahmenhandlung erzählt, für heitere Momente und für die passende Musik sorgt - von Caterina Valente bis zu den Toten Hosen.

Engel war als junger Mann selbst Schauspieler, sein Regiestil hat mit dem Großwerden am Theater zu tun. Er arbeitet eng am Text, feilt an den Dialogen, will nichts Aufgesetzes, Hohles. Fremdtexte setzt er nie ein ("für mich steckt alles drin"). Moderne Bildtechniken wie Video sagen ihm nichts. Er will die Doppelbödigkeit eines Textes ergründen - das beschäftigt ihn bis an sein Lebensende. Seine Theaterkarriere führte ihn an große Häuser in Ost und West. Im Sommer 2016 wird der 72-Jährige zum zweiten Mal Intendant in der Nachfolge von Wilfried Schulz in Dresden, der dann nach Düsseldorf wechselt.

Engels ist gut drauf, er wirkt entspannt. In Leipzig ist er zu Hause, mit dem Schauspieler Martin Reik verheiratet, der in "Königsallee" den Conférencier gibt. Beide waren zwecks Lokal-Recherche auch schon Kaffee trinken im Breidenbacher Hof, haben das Flair inhaliert, das das Luxushotel heute noch verströmt. Seit sieben Jahren bezieht er Rente. So gönnt er sich das Theater als Lebenselixier. "Die politische Dimension eines Werkes ist gerade in Zeiten von Pegida unbedingt voranzustellen", sagt er. Aber die Sinnlichkeit sei genauso wichtig: "Ich will erreichen, dass der Zuschauer auf eine große Reise gehen kann."

(RP)
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