Düsseldorf Der Wolf ist nicht immer der Böse

Düsseldorf · Schaf und Wolf können Freunde sein - das zeigt das Stück "Ein Schaf fürs Leben" im Jungen Schauspielhaus nach dem Buch von Maritgen Matter. Die kleinen Zuschauer sind vom ersten Moment an von den Abenteuern gefesselt.

 Alexander Steindorf als Schaf im kuscheligen Wollpulli (l.) und Maelle Giovanetti als Wolf im Karoanzug.

Alexander Steindorf als Schaf im kuscheligen Wollpulli (l.) und Maelle Giovanetti als Wolf im Karoanzug.

Foto: Sebastian Hoppe

Bevor es los geht mit der Premiere im Jungen Schauspielhaus, rappeln die kleinen Zuschauer auf bunten Bobs jauchzend über eine schiefe Rutsche im Foyer. Sie wurde extra aufgebaut, weil es im Stück "Ein Schaf fürs Leben" um eine rasante Schlittenfahrt geht. Die zweite Überraschung wartet dann an der Tür zur Studiobühne: Von oben herab rieselt Schnee, wer durchgeht, wird mit winzigen Flöckchen bestäubt. Die Kinder staunen: "Es schneit!"

Schon die Geschichte, die im gleichnamigen Buch von Maritgen Matter erzählt wird, ist zauberhaft. Erst recht gilt das für die 45-minütige Inszenierung von Simina German, bei der Wolf und Schaf quicklebendig und greifbar werden. Und es geschieht das Wunder, dass der Wolf hier nicht wie sonst üblich als grässliche Kreatur wahrgenommen wird, sondern als liebenswerter Geselle.

Wer hätte schließlich kein Mitleid, wenn der eigentlich Böse ganz kläglich "Hunger, Hunger, Hunger" stöhnt? Bei Maelle Giovanetti nimmt er die Gestalt eines Dandys im Karoanzug und mit Schnäuzer an. Nervös und mit knurrendem Magen streift der Wolf auf seinem Schlitten durch die eisige Winternacht. Endlich entdeckt er ein gemütliches Bauernhaus und einen Stall. Er jubiliert: "Das sieht nach Restaurant aus!"

Drinnen findet er dann tatsächlich ein Schaf. Um die anderen Tiere nicht zu wecken, lockt er seine Beute ins Freie und will ein ruhiges Plätzchen suchen für eine ungestörte Mahlzeit. Das arglose Schaf freut sich auf den Ausflug, für ihn ist der Wolf ein Freund.

Im Mondlicht gleiten sie auf dem Schlitten durch den Schnee. Bis der Wolf merkt, dass er plötzlich Skrupel hat, dem famosen Gefährten ein Leid anzutun. Alexander Steindorf trägt als Schaf einen kuscheligen Wollpulli und putzige Ohren. Gelegentlich schnauft er in die Tuba und ist so gutgläubig und freundlich, dass der Wolf seine Mahlzeit vorerst noch aufschiebt.

Dann passiert dem Wolf ein Unheil: Er bricht ins Eis ein, wird vom Schaf gerettet und völlig erstarrt auf den Schlitten gehievt. Sie kommen an ein Haus, in dem es Feuer und ein warmes Getränk gibt. Aber leider nichts zu essen. Eng umschlungen schlafen die beiden ein. Prompt träumt der Wolf von einer üppigen Mahlzeit. Wie lange wird er seinen Heißhunger noch bezähmen können?

Die kleinen Zuschauer sind vom ersten Moment an gefesselt von den Abenteuern im Schnee und von der anschaulichen Körpersprache der beiden Schauspieler, die den Buchtext mit viel Wortwitz umsetzen. Ihr Spiel wirkt offenbar so echt, dass bei der Premiere ein Kind seinem Nachbarn zuflüstert: "Das sind doch keine echten Tiere, oder?" Wie schön, wenn Theater einen solchen Effekt erzielt.

(RP)
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