Düsseldorf Charlys Tante lässt es wieder mal wiehern

Düsseldorf · Mit großer Lust am gekonnten Klamauk steuert René Heinersdorff im "Theater an der Kö" eine neue Interpretation des Stücks bei.

 Francesco Russo (als Mustafa Spittiglü), Markus Majowski (als Charlys Tante) und Ulrich Schmissat (als Jacks Vater, von links).

Francesco Russo (als Mustafa Spittiglü), Markus Majowski (als Charlys Tante) und Ulrich Schmissat (als Jacks Vater, von links).

Foto: Nicole Brühl

Die Nummer ist alt, hat aber an Wirkung nie verloren: Taucht ein Mann in Frauenkleidern auf, ist ihm wieherndes Gelächter gewiss. Das funktioniert auf der Bühne wie im Film, und besonders treffsicher funktioniert es bei "Charlys Tante". Natürlich auch im "Theater an der Kö": Das Premieren-Publikum amüsierte sich köstlich über die bizarre Verwandlung des Schauspielers Markus Majowski in die millionenschwere Verwandte aus Brasilien.

Seit ihrer Uraufführung 1892 überlebte die unverwüstliche Komödie von Brandon Thomas eine wilde Mischung von Fassungen. Mit großer Lust am gekonnten Klamauk steuerte René Heinersdorff eine weitere Variante bei. Seine Überlegung: Wer könnte heute noch eine Anstandsdame benötigen? Und so erfand er kühnen Mutes zwei junge Türkinnen mitsamt ihrem cholerischen Vater. Die Handlung verlegte der Regisseur in das Gewächshaus eines Zoos. Vogelstimmen und Affengeschrei wehen herüber und deuten Exotik an.

Vorerst aber geht es noch ganz gesittet zu. Die Studienfreunde Jack (Patrick Dollmann) und Charly (Matthias Kofler) nutzen das Gewächshaus als ruhigen Unterschlupf. Hier wollen sie die Botschaft mit dem Heiratsantrag für ihre türkischen Angebeteten verfassen - die Schwestern Sema und Aishe, die morgen für drei Monate in die Türkei abreisen. Die verliebten Jungs schwärmen von "byzantinischen Augen, dem Feuer des Bosporus, der Blässe des goldenen Horns". Aber so richtig zu Potte kommen sie nicht. Auch später nicht, als die adretten Mädels (wie Zwillinge: Clara Cüppers und Kim Zarah Langner) erwartungsvoll vor ihnen sitzen. Nur gut, dass die so pfiffig sind und ihnen beim schwerfällig gestarteten Antrag auf die Sprünge helfen.

Weil der ultrakonservative Vater Mustafa Spittigü (ulkig: Francesco Russo) den Studenten seine Töchter nur mit Begleitschutz anvertrauen will, muss eine Anstandsdame her. Zwar würde die just an diesem Tag aus Brasilien erwartete Tante von Charly prächtig dazu taugen. Doch leider verspätet sie sich.

Damit schlägt die Stunde des kreuzbraven Zoo-Hausmeisters Babbs, der mit rotem Hut, dramatisch bemalten Augenlidern und grünen Handschuhen eine allerliebste Tante abgibt. Markus Majowski macht das grandios. Er klimpert mit den Wimpern, kiekst und zwitschert, tänzelt über die Bühne, tappt in reichlich Fettnäpfchen und versucht mit aller Kraft, dem heißblütigen Türken eine schriftliche Heiratserlaubnis für seine Töchter zu entlocken.

Als seien der Verwicklungen damit nicht genug, gießen weitere Personen Öl ins Feuer: Jacks Vater (Ulrich Schmissat) eilt aus Indien herbei, weil ihm ist das Geld ausgegangen ist. Mit Grandezza erscheint schließlich auch die echte Tante, Donna Lucia d'Alvadorez (Karin Buchali). Im Schlepptau hat sie ihre Adoptivtochter, die romantische Seele Ella (Katharina Hadem), die ihre halbe Kindheit just in diesem Zoo verbrachte. Und die falsche Tante wird gleich von zwei hartnäckigen Verehrern beflirtet und gerät dadurch in arge Verlegenheit. "Ich bin eine Schande für mein Geschlecht", jault sie auf. Fragt sich bloß, für welches. René Heinersdorffs "türkischer Kunstgriff" frischt den turbulenten Schwank zweifellos auf. Nur mit der Logik der Handlung darf man es auch hier nicht so streng nehmen. Im Gewächshaus herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Andauernd wird einer gesucht oder ist auf der Flucht, man weiß gar nicht mehr, vor wem und wohin. Gewisse Sprüche wiederholen sich und werden dadurch nicht unbedingt witziger. Egal.

Die rasante Inszenierung verschmilzt insgesamt zu einem Mordsspaß. Einige Bereitschaft, sich von "Charlys Tante" umgarnen zu lassen, sollten die Zuschauer besser mitbringen. Dann aber dürfte der Komödien-Klassiker zum ungetrübten Vergnügen werden.

Bei der gelungenen Premiere wurde viel gelacht und begeistert applaudiert.

(RP)
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