Düsseldorf Bildhauerei im Kunsttunnel

Düsseldorf · Die von Didier Vermeiren komponierte Ausstellung im KIT zeigt spannende Plastiken der Gegenwart.

 "Vasen" heißen die beiden Skulpturen von Moritz Karweick.

"Vasen" heißen die beiden Skulpturen von Moritz Karweick.

Foto: Ivo Faber/KIT

Dies alles soll also Bildhauerei sein? Ein Hügel aus weißem Marmorstaub, tanzende Ballerinas auf hohem Sockel, zwei verrücktfarbige Wächter aus Keramik, an einer Schnur baumelnde Beine aus Gips oder die riesige, trichterartige Abformung eines Erdloches.

Zu einer erbaulichen und frischen Übersichtsausstellung wurden im KIT Werke von heute zusammengefügt, die die aktuelle Befragung einer steinalten Kulturtechnik darstellen. Die Welt der Bildhauerei hat sich freilich gewandelt. Niemand will mehr ernsthaft einen perfekten David hauen wie einst Michelangelo, der mit seinem Masterpiece die erste freistehende Kolossalstatue der Antike erschuf.

Doch die Bildhauerei ist nicht tot. Alleine an der Düsseldorfer Kunstakademie gibt es gleich mehrere prominente Professoren mit Klassen der Bildhauerei, darunter Rektorin Rita McBride, Katharina Fritsch, Gregor Schneider und Didier Vermeiren, der heute als Nestor dasteht. Dass die Bildhauerei lebt und wie sie sich entfaltet in jungen Positionen, beweist der Belgier, der als Kurator aktiv wurde und in das junge Ausstellungshaus die Schau "De Statua - davor und danach" hineinkomponierte.

Dass zur Eröffnung mehr als 800 überwiegend junge Menschen und am Sonntag danach fast 300 kamen, zeigt, dass das Haus - das nächstes Jahr unter seiner Leiterin Gertrud Peters Zehnjähriges feiert - von der Kulturlandkarte der Landeshauptstadt nicht wegradiert werden darf. Wo sonst ist der Platz für junge Künstler, die den Meisterbrief in der Tasche, aber noch wenig Geld auf dem Konto und noch keine Galerie gefunden haben? Im KIT finden sie ihren perfekten Ausstellungsort, und auch junge Kunstbewunderer, Einsteiger, kommen dort auf den Geschmack. Niedrigschwelligkeit heißt das Zauberwort für den unbeschwerten Eintritt; die Bar, der Ort, die Veranstaltungen erhöhen die Attraktivität.

30.000 Besucher zählt das KIT im Jahr, das sind mehr, als das Ständehaus (K21) der Kunstsammlung verzeichnen kann. Das KIT ist eine angesagte Location. Dass solche Kunsthäuser Überraschungen bergen, dass in programmatischen Ausstellungen Aktuelles verhandelt wird und dass sich auch künstlerische Schönheit einfach mal pur und frei entfalten kann, ist der Unabhängigkeit einer städtischen Institution zu verdanken. Daher erscheint es als unverständlich, dass derzeitige Pläne der Stadtspitze die Eigenständigkeit einer solchen Institution in Frage stellen.

Die aktuelle Ausstellung hat ein Bildhauer in den Tunnel hineingewoben, das macht sie sehenswert, denn sie ist als Ganzes selbst ein bildhauerisches Statement. Ein Prolog hängt zu Beginn: Philipp Röcker hat eine Galerie von berühmten Skulpturen erstellt, die Fotos auf Blau gesetzt und zum Fries versammelt.

"Seht her", heißt das, und entlang der filigranen geometrischen Bodenarbeiten von Valerie Krause gleitet man in Folge durch den Eingangsschacht in den Raum. Nun ist der Blick fast frei, der Raum unangetastet und hell. Fast 30 Arbeiten sind es, die meisten von ehemaligen Vermeiren-Studenten, aber auch Gäste aus Paris sind dabei.

Die Vielfalt gibt den Rhythmus an. Winzig ist ein ringförmiges Stahlteil von Fabien Ducrot, gigantisch die Ausstülpung von Claudia Mann. Niemand anders kann solche phänomenalen Fotoguckkastenskulpturen herstellen wie Johannes Döring, und der blütenweiße Staubhaufen von Johannes Wald ist nicht nur eine Ode an die reine Materialität, sondern entspringt den gleichen Ideen wie die Skulptur der marionettenhaften Beine aus Gips.

Im klassischen Sinne skulptural gearbeitet hat Moritz Karweick, Bildhauerei bedeutet für ihn "Entstehen lassen", wobei in der Passivität des Prozesses das Zulassen von Überraschungen begründet ist. Seine zwei Keramiken heißen "Vasen", gebärden sich im Raum indes wie Wächter mit undefinierbarer Tonglasur. Karweick, der als Tutor in der Kunstakademie tätig ist, sagt: "Ich stehe optimistisch zur Bildhauerei, das Physische wirkt immer noch. Auch die Postinternetgeneration hat Sehnsucht nach Material."

Noch bis Februar kommenden Jahres wird der mit feinsinnigen Skulpturen angereicherte Kunsttunnel ein Energiefeld bilden, das ein vielfaches Echo von Emotionen widerspiegelt und gleichsam auszulösen vermag.

(RP)
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