Düsseldorf Begeisterung über "Mr. Handicap"

Düsseldorf · Die neue Produktion des Jungen Schauspielhauses heißt "Mr. Handicap". In der Schweiz hätte der etwas merkwürdige Titel kaum Erstaunen ausgelöst. Dort wählt man jedes Jahr ein Paar behinderter Menschen zu "Mister und Miss Handicap", die dann als Botschafter für deren Bedürfnisse werben. In dem Jugendstück von Thilo Reffert, das jetzt an der Münsterstraße seine Uraufführung feierte, lautet indes das Motto: "Jeder ist anders, aber alle sind gleich".

Der Junge Vincent ist behindert. Er hat steife Ellenbogengelenke und fällt hin und weder bewusstlos auf den Boden. In der Inklusionsklasse seiner Schule übernimmt jeder Schüler reihum für einige Tage seine Patenschaft. Hannes, der seinen behinderten Mitschüler nicht leiden kann, hat sich bisher um die Patenrolle gedrückt. Als er nun doch an die Reihe kommt, ist der Konflikt vorprogrammiert.

Inklusion ist das Thema der Stunde in allen gesellschaftlichen Debatten über Schule. Daher war das Interesse an der Inszenierung von Frank Panhans riesengroß. Vor der ersten Reihe hatten zahlreiche Rollstühle Platz gefunden, und der Saal war ausverkauft. Belohnt wurden die Zuschauer mit einem temporeichen Spiel und einem aufwendigen Bühnenbild (Jan A. Schroeder). Neben einer überdimensionalen Drehtür mit Zugang zu Klassenzimmern, Wohnungen und Sporthallen gab es eine Flughafen-Gangway für das überraschende Ende der Handlung.

Vor allem aber überzeugte das Spiel der exzellenten Darsteller. An der Seite von Kilian Ponert in der Rolle des Vincent und Jonathan Gyles als Hannes beeindruckte das Universaltalent Paul Jumin Hoffmann. Fünf Rollen hatte man ihm anvertraut, die er wie in früheren Inszenierungen souverän meisterte. Die Frauenrollen waren mit Alessa Kordeck, Maria Perlick und Maëlle Giovanetti ebenfalls gut besetzt.

Mitten in dem ziemlich turbulenten Bewegungskarussel erntete eine anrührende Szene spontanen Applaus. Kilian Ponert führte mit artistischer Eleganz vor, wie ein Mensch ohne Zuhilfenahme der Arme Kleidungsstücke anlegt. Hier wie überhaupt ständig an diesem zweistündigen Abend zeigte sich das Ensemble des Jungen Schauspiels in Topform. Immerhin ging es darum, als junge Erwachsene in Rolle pubertierender Kinder zurückzukehren. "Früher hieß es Integration, jetzt Inklusion. Der Unterschied ist: Integration war mit Geld." Das sagt der Autor Thilo Reffert.

Für sein Stück gab es große Begeisterung.

(RP)
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