Interview mit Axel Hacke "Schreiben ist purer Egoismus“

Düsseldorf · Der Kolumnist Axel Hacke stellt sein neues Buch im Düsseldorfer Zakk vor. Er spricht über Rituale, Leserreaktionen und das Lied "A Walter Scheel Of Pale".

 Axel Hacke stellt im Zakk sein neues Buch vor.

Axel Hacke stellt im Zakk sein neues Buch vor.

Foto: Thomas Dashuber

Axel Hacke geht in München ans Telefon: "Hacke", sagt er, und das klingt scharf und schneidend — jedenfalls hatte man es sich viel sanfter vorgestellt. Man sagt ihm dann, dass man seine Kolumne neulich sehr toll fand, in der er von seiner Begegnung mit dem lieben Gott an der Isar schrieb. Und da wird er tatsächlich milder und entgegnet: "Das ist schön, dass Sie das sagen. Die gefiel mir nämlich selbst ganz gut." Jeden Freitag erscheint die Kolumne des 59-Jährigen im Magazin der "Süddeutschen Zeitung". Zur Feier der Nummer 1001 hat er die besten in einem Buch versammelt: Hacke stellt "Das Kolumnistische Manifest" am Dienstag, 29. September, im Kulturzentrum Zakk vor.

Wissen Sie schon, was am Freitag in der Kolumne steht?

Hacke Nee. Ich fange montags an, mir Gedanken zu machen und telefoniere mit dem zuständigen Redakteur. Wenn wir Glück haben, finden wir ein Thema, sonst müssen wir dienstags weiter suchen. Am Abend möchte ich das Thema dann wissen, denn Mittwoch früh schreibe ich. Mittwochs muss ich liefern.

Sie schreiben im neuen Buch vom "Gespenst des Kolumnismus". Kann man sich das wie im Film "Mein Freund Harvey" als weißen Hasen vorstellen, der immer da ist?

Hacke Das Gespenst ist immer präsent. Wenn ich Zeitung lese wie jetzt gerade. Oder gestern, als wir aufs Oktoberfest gingen. Da passierte irgendetwas, und dann sagte meine Frau: Das ist doch eine Kolumne!

Man könnte sagen, Ihre Kolumnen gehen ins kollektive Unterbewusstsein ein. Das Personal der frühen Texte war für viele wie eine Ersatzfamilie: der Kühlschrank Bosch, Paola, Luis, der Freund Bruno.

Hacke Das war mir unheimlich. Am Anfang hatte ich noch nicht mal die Namen verfremdet. Und dann hatte ich manche schlaflose Nacht, weil ich dachte, ich würde meine Familie ausstellen. Letztlich war das der Grund, warum ich aufgehört habe mit den Familiengeschichten. Einer meiner Söhne, der das Vorbild für Luis war, heißt gar nicht Luis, wurde aber immer mit Luis identifiziert. Und als er auf dem Gymnasium war und ständig gefragt wurde, was er denn da wieder gemacht habe, obwohl er nichts gemacht hatte, weil ich es mir ja ausgedacht hatte, wollte ich das nicht mehr.

Im Grunde ein Kompliment: Sie sind präsent im Leben der Menschen.

Hacke Die reine Freunde, ja. Ich bekomme jeden Tag Leserpost, und die ist meist nett. Sie liefert Material, das ist eine Ehre. Und sie ist lustig.

Wie im Fall des Lieds "A Whiter Shade Of Pale" von Procol Harum.

Hacke Ein Geschenk! Das war zu jener Zeit, als ich über missverstandene Liedzeilen schrieb. Ein Leser machte mich darauf aufmerksam, dass ich den Titel "Nights In White Satin" der Band Procol Harum zugeordnet hatte. Es seien aber die Moody Blues gewesen. Er schrieb: "Procol Harum stürmten im selben Jahr die Charts mit dem berühmten A Walter Scheel Of Pale."

Sind Kolumnisten Lebenshelfer?

Hacke Das will ich gar nicht sein. Der Kern ist, dass ich Geld verdienen muss. Und dabei möchte ich selbst Spaß haben. Das Motto meiner Kolumnen könnte lauten: Der will doch nur spielen. Ich nehme das Leben nicht so besonders leicht und habe eine melancholische Veranlagung. Beim Schreiben kann ich das verwandeln. Ich kann aus etwas Schwerem etwas Leichtes machen. Die Freude, die ich dabei empfinde, teilt sich dem Leser mit. Aber erst mal denke ich nicht an ihn. Schreiben ist purer Egoismus.

Was ist das eigentlich: eine Kolumne?

Hacke Sie erscheint jede Woche. Ihr Autor wird nicht krank, macht keinen Urlaub. Sie ist ein Bergkamerad: Man geht zusammen durchs Leben, und der Leser kann sich darauf verlassen, dass die Kolumne da ist. Dahinter muss Disziplin stehen.

Die Kolumne strukturiert und ordnet das Leben von Autor und Leser?

Hacke Ja. Die Kolumne ist für mich genauso wichtig. Ich bin nicht der Typ, der sich an einen 500-Seiten-Roman setzt. Da hätte ich nach einer Woche Selbstzweifel. Mir würde der Zuspruch fehlen. Es ist wichtig für mich, dass Leser mich auf der Straße ansprechen. Das gibt mir das Gefühl, dass richtig ist, was ich mache.

Wie kriegen Sie den Sound in die Kolumne, das Axel-Hacke-eske?

Hacke Das ist drin, es ist die Art, wie ich schreibe. Schlimm ist, wenn ich den Ton nicht treffe. Wenn ich merke, ich verzettele mich. Das ist wie Selbstverlust. Dann weiß ich nicht mehr, wer ich bin.

Haben Sie ein Ritual?

Hacke Ich bin zwanghaft, weil ich Angst habe vorm Anfang. Schreiben ist ein Abenteuer. Man überwindet die gleiche Angst wie einer, der mit dem Segelboot übers Meer fahren will. Es ist gefährlich, und man kann untergehen. Ich mache mir immer erst mal einen Kaffee. Das ist das Signal, dass es jetzt losgeht.

Gibt es eine Reservekolumne?

Hacke Eine gibt's. Seit kurzem. Ganz lange Zeit gab es keine. Eigentlich wahnsinnig, dass man so lange ohne Netz gearbeitet hat. Aber: Die richtige Artistik ist immer ohne Netz.

(hols)
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