Düsseldorf Auf und Ab über vier Etagen

Düsseldorf · Der Schauspieler Alexander Steindorf führte im Ständehaus das Theaterstück "Der Kunstreiniger" auf.

Erster Eindruck: Könnte ein ganz guter Abend werden, so vergnüglich wie die Putzkraft da zum Bossa Nova durch die Gänge tänzelt. Man sitzt unten im Foyer auf Klappstühlen, schaut hoch, dumpf schallt die Musik nach unten, und zuweilen hört man den Mann jauchzen, und dann blitzt seine grüne Arbeitskluft zwischen den fensterlosen Bögen in den Fluren der Kunstsammlung auf. Mit dem Fahrstuhl kommt er runter, bleibt stehen, stutzt wegen des späten Besucherandrangs und sagt: "Machen Sie mal bitte die Füße hoch." Er muss dort putzen.

So beginnt "Der Kunstreiniger", ein Theaterstück mit Schauspieler Alexander Steindorf, das nun erstmals im Ständehaus gezeigt wurde. Die Uraufführung ist Teil des Asphalt-Festivals, gespielt wird auf vier Etagen, in Treppenhäusern, auf Fluren, in Ausstellungsräumen und mit der Kunst. "Kommen Sie mal mit", sagt Steindorf, der die Putzkraft im Museum gibt, und er winkt dann immer mit der Hand, die gerade nicht den Wischmopp hält. Bis zuletzt bleibt der Schauspieler in seiner Rolle ohne Namen, der Kunstreiniger hat keinen. Er hatte Frau und Kinder, erzählt er, aber die haben ihn verlassen; und im Museum ist auch niemand, der ihn rufen könnte. Wenn er spät abends kommt, ist dort alles wie leer gefegt. Nur jetzt sind eben Leute da, und die folgen ihm gerne. Er steckt sie in den Fahrstuhl, macht Musik an und lässt das Publikum bis nach oben fahren. Dort geht die Musik aus, ein Hörspiel läuft an. Es wird von einem Autounfall berichtet, vom Koma des einen Fahrers und von drei toten Jugendlichen im anderen Wagen.

Der Fahrstuhl schließt sich wieder, und unten wartet der Kunstreiniger, der nun eine zweite Gruppe zur Fahrt nach oben schickt. Er führt einen in einen Ausstellungsraum, angeblich um dort Kaugummi zu entfernen. Aber eigentlich will er über Bill Violas Videoarbeit "Das Quintett der Erstaunten" sprechen, die dort gezeigt wird. Er sehe dort fünf Menschen, die einen Unfall beobachtet haben, sagt er, etwa die Polizisten, die zuerst zur Stelle waren, und eine Frau, die einfach weitergegangenen ist. Das ist anrührend und traurig und gar nicht mal so vergnüglich wie zunächst angenommen, auch wenn sich der Kunstreiniger etwas von der naiv-ehrlichen Art des "Tatortreinigers" aus der gleichnamigen TV-Serie abgeschaut hat. Zuweilen aber steht man auch ratlos da, weil einen der Mann allein lässt, weil Schauspieler Steindorf dann zur zweiten Besuchergruppe hetzt, die andernorts im Museum wartet. Zwei Stunden dauert denn auch dieser dennoch zu Recht ausverkaufte Abend, in dessen Verlauf sich ein Puzzle zusammensetzt, das einen Verlorenen zeigt, der sich in die Festung Ständehaus geflüchtet und dort Trost in der Kunst gefunden hat. Zum Putzen kommt er kaum. Seine Mülltüte bleibt bis zuletzt leer.

(kl)
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