Tänzerin Maura Morales in Düsseldorf "Auf Kuba herrscht Stillstand"

Düsseldorf · Die Künstlerin ist morgen mit ihrem neuen Solo-Tanzstück im FFT zu erleben. Darin beschäftigt sie sich kritisch mit ihrer Heimat.

Die Tänzerin und Choreografin Maura Morales ist Kubanerin. In ihrem jüngsten Stück, einer Solo-Performance mit dem Titel "Exceso de la nada" ("Überfluss des Nichts"), setzt sie sich kritisch mit dem Land auseinander, das sie 1996 verließ.

Im Begleittext zu Ihrem neuen Stück werden Sie mit folgendem Satz zitiert: "Mit sechs Jahren habe ich gelernt zu tanzen, mit zehn Jahren, wie man eine Kalaschnikow benutzt, und mit 18 Jahren, dass die Geschichte meines Landes eine Lüge war." Das mit der Kalaschnikow müssen Sie uns erklären!

Morales In Kuba hatten wir Militärübungen als Schulfach. Uns Kindern wurde ständig eingetrichtert, dass eine militärische Bedrohung seitens der USA unmittelbar bevorstünde, dass wir für den Ernstfall bereit sein müssten. Von daher mussten wir jeden Freitag eine Stunde lernen, wie man Dynamit zündet, Schießübungen machen und besagte Kalaschnikows zerlegen und zusammensetzten.

Bevor Sie mit Waffen in Kontakt kamen, lebten Sie in Nuevitas, einem Fischer-Dorf an der kubanischen Küste. Wie kamen Sie zum Tanz?

Morales Während meine Freundinnen aus der Nachbarschaft Prinzessinnen werden wollten, wollte ich schon als Mädchen immer Tänzerin werden. Glücklicherweise wurde ich mit sechs Jahren von den Talentscouts des kommunistischen Schulsystems gesichtet und zum Vortanzen eingeladen. Ich wurde aufgenommen und verbrachte die nächsten Jahre im Ballett-Internat.

Wie darf man sich Ihre tänzerische Ausbildung vorstellen?

Morales Es war eine sehr harte Ausbildung, die viel Disziplin erforderte. Aber da es sich um das staatliche Internat der schönen Künste handelte, wurden neben der Sparte Tanz auch Musik, bildende Kunst und Schauspiel gelehrt. Es war wunderbar und inspirierend, mit anderen Kindern aufzuwachsen, die unterschiedliche Kunstrichtungen verfolgten. Wir lernten viel voneinander und erlangten so auf natürliche Weise ein breites Wissen über Kunst.

Sie haben Kuba 1996 verlassen. Wie würden Sie Ihre Beziehung zu Kuba heute beschreiben?

Morales Es tut weh mitanzusehen, wie Kuba, das sich als revolutionäres Land bezeichnet, seit 1959 auf der Stelle tritt. Es hat sich so gut wie nichts verändert. Mich ärgert, wie ein System sich mit Lügen aufrecht hält und es seinen Bewohnern unmöglich macht, sich ein eigenes Bild von der Realität zu machen. Meine Beziehung zu Kuba ist am besten mit frustrierend umschrieben. Auf der anderen Seite bewundere ich die Belastbarkeit und Leidensfähigkeit meiner Landsleute.

Wie entstand die Idee, Kuba ein eigenes Stück zu widmen? Hatten Sie die schon länger im Kopf?

Morales Gerade in letzter Zeit werde ich häufig auf Kuba angesprochen. Man beglückwünscht mich mit den Worten "Jetzt haben sich die Dinge auf Kuba doch endlich verändert". Ja, es hat sich etwas verändert auf Kuba - nur leider nicht für die Kubaner, sondern nur für ausländische Investoren. Solange die Kubaner nicht die Möglichkeit haben, zu sagen, was sie denken, wird sich nichts verändern. Ich lebe hier in Deutschland und weiß, dass es ein großes Glück ist, frei seine Meinung äußern zu können. Daher empfand ich es geradezu als Verantwortung, dieses Stück über Kuba zu machen.

Ist Kuba ein von den Touristen missverstandenes Land?

Morales Es ist natürlich, dass die Touristen nicht den alltäglichen Kampf ums Überleben der Kubaner mitbekommen. Wozu auch? Als Tourist möchte man sich den Urlaub mit den kulturellen und geographischen Vorzügen dieses Inselparadieses versüßen. Und da Kuba quasi von den ausländischen Devisen lebt, zeigt es sich genau von der Seite, die die Touristen sehen wollen. Ich würde sagen, dass Kuba zur Zeit ein Land für die Touristen ist, nicht jedoch für die Kubaner selbst.

In den letzten Produktionen der Cooperativa Maura Morales waren immer mehrere Tänzer auf der Bühne. "Exceso de la nada" ist nun ein Solo, der Fokus ist also voll auf Ihnen. Was bedeutet das für die Entwicklung der Arbeit und die Bühnen-Performance selber?

Morales Es ist ein autobiographisches Stück. Von daher war es mir wichtig, die Verantwortung auf der Bühne alleine zu tragen. Das geht so weit, dass ich meinen Partner Michio, der bei allen Stücken live auf der Bühne zugegen ist, in eine Tonkabine verbannt habe.

ALEXANDRA WEHRMANN FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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