Asphalt-Festival in Düsseldorf Jedem Bahnhof sein Piano

Düsseldorf · In zwei Düsseldorfer U-Bahn-Haltestellen stehen für die Zeit des Asphalt-Festivals Klaviere, an denen jeder spielen darf. Die Resonanz ist überwältigend. In Städten wie Paris sind Klaviere in Bahnhöfen längst akzeptiert.

Ein Klavier in der Düsseldorfer U-Bahn-Haltestelle Heinrich-Heine-Allee.

Ein Klavier in der Düsseldorfer U-Bahn-Haltestelle Heinrich-Heine-Allee.

Foto: André Schuster/Asphalt Festival

Vor einigen Jahren kam es am berühmten Bahnhof Austerlitz in Paris zu einem unerwarteten Happening. Dort hat die französische Staatsbahn SNCF ein altes, aber gut gestimmtes Klavier mitten in eine Wartehalle geschoben. Ein junger Spanier nahm Platz und spielte ein Stück von Ludovico Einaudi.

Irgendwann stellte sich ein junger Algerier hinter ihn, griff über den Kopf des Kollegen in die Tasten, bald spielten sie vierhändig, und die ganze wartende gestresste Community wurde verwandelt und in ihren Bann gezogen. Beide waren keine Profis und kannten einander nicht, aber die Musik machte sie zu Verbündeten. Am Ende zollte der ganze Bahnhof begeistert Applaus.

Solche Szenen gibt es gar nicht so selten in den Bahnhöfen dieser Welt. In Venedig, in Stockholm, in Moskau, in Lissabon — überall finden sich kleine oder große Klaviere, mitunter sogar Flügel, vor denen jeder Passant Platz nehmen und ein Stück spielen darf. Auch im fröhlichen Düsseldorf ist das öffentliche Klavier jetzt angekommen, es steht an zwei U-Bahnhöfen (Heinrich-Heine-Allee und Oberbilker Markt).

Beethovens "Für Elise"

Faszinierend zu beobachten, was da auf 88 Tasten abgeht: Wie das kleine Mädchen erst zögernd und ungelenk, aber schon mit überraschender Zielstrebigkeit durch Beethovens "Für Elise" eilt. Wie ein rüstiger Herr mit Stock Platz nimmt und den unvermeidlichen "Flohwalzer" in die schwarzen Tasten stichelt. Wie ein offenkundig Versierter die finsteren Eingangsakkorde von Beethovens "Pathétique" donnert.

Yann Tiersens melancholisch-zarte Musik zur "Fabelhaften Welt der Amelie" spielt ein dünner Hering jugendlichen Alters — und kaum jemand, der den Film gesehen hat, will hier achtlos weitergehen. Man müsste Klavier spielen können, seufzt so mancher Jüngling, wenn er die Blicke junger Damen mustert, die dem Pianisten gelten.

Vor allem ist das Klavier ein Magnet, denn die Leute bleiben stehen - neugierig, amüsiert, gebannt. Einige fremdeln mit diesem unerwarteten Kasten und den Klängen, die aus ihm kommen. Und natürlich kommt einmal pro Tag eine resolute ältere Düsseldorferin vorbei, die "Straßenmusiker" am liebsten neben die Landebahn des Flughafens verbannen würde. Viel häufiger erlebt der Beobachter neidische und dankbare Blicke; es bilden sich Trauben von Neugierigen, die gern eine U-Bahn später fahren, um nur noch den elegischen Chopin-Walzer aus den Händen einer fernöstlichen Musikstudentin hören zu können, die extra für die Heinrich-Heine-Allee ihre Klaviernoten mitgebracht hat.

Nicht leicht zu klauen

Öffentliche Beschallung ist nicht jedermanns Sache, und manchmal dringen sogar die schönsten Töne nicht zum Publikum durch. Vor einigen Jahren machte der weltberühmte Geiger Joshua Bell das Experiment an einem U-Bahnhof von Washington, wo er Solowerke von Bach vortrug und kaum jemand lauschte. Das ist bei einem Klavier anders. Es ist ein Ehrfurcht einforderndes Instrument — so wuchtig, so geheimnisvoll, so schwer zu bedienen. Das erklärt auch, warum an jenen Bahnhöfen der Welt Klaviere nie beschädigt werden: Ein Klavier kommt selbst für Halunken gleich nach dem Allerheiligsten. Und klauen kann man es auch nicht so leicht.

Das Düsseldorfer "Asphalt-Festival" hatte die wundervolle Idee gehabt, die Klaviere in die U-Bahnhöfe zu schaffen; dort bleiben sie bis zum Wochenende. Die Rheinbahn hat mitgespielt — und jetzt gibt es viele Leute, die fragen, ob diese Klaviere nicht auf Dauer stehen bleiben können.

Christof Seeger-Zurmühlen und Bojan Vuletic, Geschäftsführer des Festivals, würden das begrüßen — nicht nur als Charme-Offensive, sondern auch als die Möglichkeit, dass Menschen Scheu vor der Kunst verlieren. An diesen Pianos darf jeder spielen, egal ob er Virtuose oder blutiger Laie ist. Selbst wenn er nur ein paar Töne tippt: Ein Klavier hat noch jeden in seinen Bann gezogen.

In Paris hat jeder Bahnhof ein Piano

Nun denn, auch die Rheinbahn will, so teilte eine Sprecherin am Mittwoch mit, "sehr wohlwollend" prüfen, ob die Klaviere zur Dauereinrichtig werden dürfen. Zuvor sind Sicherheitsaspekte zu prüfen: Wer bewacht die Klaviere? Wer schließt sie ab? Also Probleme, die sich mit gutem Willen leicht lösen lassen.

Düsseldorf vergleicht sich so gern mit Paris. Dort, dies nur nebenbei, hat jeder Bahnhof sein Piano.

(w.g.)
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