Düsseldorf Apfeltörtchen aus der Vergangenheit

Düsseldorf · Christa Holtei hat einen historischen Roman über die Düsseldorfer Künstlerwelt im Jahr 1834 geschrieben.

 Christa Holtei vor Schloss Jägerhof. Hier empfing Prinz Georg von Preußen Gäste, darunter Clemens Mendelssohn Bartholdy.

Christa Holtei vor Schloss Jägerhof. Hier empfing Prinz Georg von Preußen Gäste, darunter Clemens Mendelssohn Bartholdy.

Foto: Bernd Schaller

Clemens Papenstiel hat es eilig. Der Student der Düsseldorfer Kunstakademie läuft durch den Regen. Er ist auf dem Weg in die Bilker Straße, wo er eine der Töchter eines wohlhabenden Weinhändlers im Zeichnen unterrichten soll. Dass wir uns nicht im Hier und Jetzt befinden, wird schnell deutlich. Kunststudenten, geben die heute überhaupt noch Zeichenunterricht für Töchter aus gutem Hause? Sie würden es vielleicht gerne, aber diese Zielgruppe gibt es so nicht mehr. Denn Frauen war im Jahr 1834, denn in dem spielt Christa Holteis historischer Roman "Das Spiel der Täuschung", der Zutritt zur Akademie noch verwehrt. Und die Kunstakademie an der Eiskellerstraße gab es noch gar nicht, die wurde erst 1773 gegründet und Frauen erst nach dem ersten Weltkrieg angenommen. Unser Protagonist besucht die "Königlich Preußische Kunstakademie", die sich 1834 noch im Stadtschloss befand, von dem heute nur noch der berühmte Schlossturm steht.

Christa Holtei lässt das Jahr in einem akribisch recherchierten Roman wiederauferstehen, führt den Leser in eine Welt, in der er auf Wilhelm Schadow trifft, den Direktor der Malerschule, auf Clemens Mendelssohn Bartholdy, der Orchester und Chor des Vereins für Tonkunst leitet und auf Carl Immermann, der dem Theaterleben zur ersten Blüte verhilft. "Zwei Drittel des Romans sind historisch belegt", sagt Christa Holtei im Gespräch. "Figuren wie Papenstiel und seine Schülerin Emma sowie der sinistre Kunsthändler de Boer sind fiktiv, sie treiben die Handlung voran. Alles andere ist authentisch." Dafür hat die Autorin historische Dokumente, Tagebücher und Briefe ausgewertet. Das Recherchieren hat sie am Institut für mittelalterliche englische Literatur, Sprache, Geschichte und Kultur an der Heinrich-Heine-Universität gelernt, wo sie lange Jahre gearbeitet hat. Aus diesem Institut kommt übrigens auch die Schriftstellerin Erica Gabblé, deren neuer Roman "Der Palast der Meere" soeben erschienen ist. Christa Holtei hat sich bereits als Verfasserin von Sach- und Kinderbüchern einen Namen gemacht. Ihr auch ins Englische übersetzten Buchs "In die neue Welt" ("In the New World: A Family in Two Centuries") wurde in die wichtige amerikanische Auswahlliste Capitol Choices als Nominierung zum besten Buch für Kinder und Jugendliche 2015 aufgenommen.

Da ist also ein großes Interesse für Geschichte. "Ich finde es faszinierend, sich mit der Vergangenheit und ihren Spuren zu beschäftigen, zum Beispiel etwas über die Beckerschen Gärten zu erfahren, in denen sich der Tonverein im Sommer traf, in einem Holzbau mit Saal." Heute steht dort das Kaufhaus Karstadt. Man erfährt viel über die Stadt, die 1834 so viel kleiner und überschaubarer war. Das mit leichter Hand und manchmal auch feinem Humor geschriebene Buch führt in die damalige "Szene", wie man heute sagen würde. Für Kenner der Stadt, aber auch für alle anderen gibt es viel zu entdecken. So begegnen wir bei den Kaffeekränzchen, bei denen sich die Frauen ungestört untereinander austauschen konnten - der Besuch von öffentlichen Cafés und Gasstätten war ihnen verwehrt -, auch der Witwe des Adam Bernhard Bergrath. Der war jener Firmengründer, dessen Initialen "ABB" den Namen für den berühmten Mostert bildeten, der noch heute hergestellt wird. Den Senftopf hat schon Vincent van Gogh auf einem Stillleben gemalt. Und von Anfang an wird man selbst zum historischen Spurensucher. Wenn sich Clemens Papenstiel am Marktplatz ein schnelles Apfeltörtchen kauft, denkt man an den Zeitgenossen Heinrich Heine, der von diesen Backwerken schwärmte. Er hat wohl auch das eine oder andere dort gekauft.

(RP)
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