Düsseldorf Alles so schön bunt hier

Düsseldorf · "Bling Bling Baby", "Terror Komplex" und preisgekrönte Absolventen - das NRW-Forum trumpft mit drei Fotokunst-Ausstellungen auf.

 Die grelle Welt des Bling Bling - hier mit "Miami Nice" von Esther Haase aus dem Jahr 2011.

Die grelle Welt des Bling Bling - hier mit "Miami Nice" von Esther Haase aus dem Jahr 2011.

Foto: NRW-Forum

Das ist nun keine Empfehlung für einen Besuch im NRW-Forum. Sondern die herzliche, ach was: dringliche Bitte, das Museum am Ehrenhof doch wenigstens dreimal aufzusuchen. Denn jede Foto-Ausstellung des neuen Dreierpacks, mit dem das NRW-Forum jetzt das Jahr ausklingen lässt, verdient tiefe, sorgsame Beachtung.

Natürlich muss man mit "Bling Bling Baby" beginnen. Was sonst, weil man einfach nicht vorbeikommt an diesen zumeist großformatigen Bildern - die einen von weitem anschreien, die laut und grell sind und fast schon ein bisschen wehtun vor lauter Kitsch. Romantik, die trieft, Schmerz, der gülden schillert, Prunk, der sich selbst als schönen Schein ironisiert. "Bling Bling Baby" feiert das Oberflächliche, die Inszenierung des Trivialen. Etwa mit dem schrillen Obststillleben und dem entflammten Rosenstrauß von Christto & Andrew aus Doha; oder Anatol Kotte, der die ruhende Miss Piggy - Schmuck-bewehrt und mit Schlafbrille - im Ritz zeigt; oder die Kalifornierin Kourtney Roy, die sich selbst vor einer Bergmassiv-Tapete in einer Serie als ideale Frau darstellt: wie eine Puppe, die mal als Stewardess serviert, als Braut ein Tränchen abdrückt oder zur Cheerleaderin erstarrt ist.

Bling Bling ist keine Position, sondern eine Haltung, eigentlich mehr ein Gefühl, für das mit reichlich Aufwand und noch mehr Kunstfertigkeit das Leben und die sogenannte Wirklichkeit ausgeschlossen werden. Bling Bling hat seinen Ursprung in einem Hip-Hop-Song des Rappers B.G von 1999. Damals kam auf den Begriff, was heute - ein bisschen schicker, edler und künstlicher zwar - noch immer gilt: das Geld, die Frauen, die Opulenz. Zum Mythos wird es für den, der es zum Mythos erklärt. Die Fotokunst, die daraus emporgestiegen ist, produziert perfekte Bilder, die auf nichts mehr zu bestehen scheinen als auf das, was sie spiegeln. Das kann manchmal aber ziemlich viel sein, wie auf dem Foto "Silent Night" des Finnen Markus Henttonen: eine Autogarage so groß wie ein Einfamilienhaus, links und rechts Palmen, davor ein Basketballkorb. Und geschmückt ist die Szenerie mit weihnachtlichem Klimbim. Trauriger, verlorener und sinnentleerter ist eine Heilige Nacht noch nicht gewesen.

Doch wie kommt man jetzt bloß von der zuckersüßen Bling-Bling-Welt ins finster-grausige Obergeschoss des NRW-Forums? Allenfalls mit dem riesigen David LaChapelle-Foto "The Rape of Africa" (2009). Da wird Boticellis Gemälde "Mars und Venus" fotografisch nachgestellt - diesmal mit Naomi Campbell, und an die Stelle der Engel sind Kindersoldaten getreten. Ein bisschen Gesellschafts- und Gewaltkritik schlummert darin. Doch seine Ästhetik schöpft das Bling-Bling-Foto aus der ungebrochenen Dekadenz.

Die fehlt gänzlich im Obergeschoss auf den Fotos des Berliners Simon Menner. Seine Ausstellung "Terror Komplex" ist der Eintritt in die Bilderwelten islamistischer Propaganda. Menner hat sich im Internet auf die Spurensuche nach Terrorselbstdarstellungen begeben und hat dabei nach eigenen Worten in den zurückliegenden zwei Jahren wahrscheinlich mehr Propagandavideos angeschaut als der durchschnittliche Salafist. Das war für Menner überhaupt das Spannende: einen Krieg darzustellen, der für uns praktisch unsichtbar ist und der ausschließlich über Medien vermittelt wird. Simon Menner hat manches Fotomaterial entfremdet und in Gegenüberstellungen mit motiv-ähnlichen Bildern fremd werden lassen. Es gibt viel Bedrückendes zu sehen. Dazu zählt vor allem die Wand mit Fotos von Passanten und entspannten Soldaten. All diese Menschen scheinen nichts Besonderes zu erwarten. Doch alle werden nur einen Augenblick später tot sein. Denn die Fotos wurden von einem Scharfschützen gemacht, kurz bevor er seine Opfer erschoss. Hinrichtungsfotos, die den späteren Betrachter bereits im Sinn haben und die für ihn gemacht wurden. Weil wir diese Bilder sehen, mussten Menschen sterben. Vor dieser Bilderwand scheint der Betrachter also zum Mittäter zu werden.

Sicher, dann gibt es im Erdgeschoss noch die Schau der besten Fotografie-Absolventen des Landes. Sechs Nachwuchskünstler, sechs Ansichten, sechs Wege, der Welt im Foto und im Video zu begegnen. Doch nach Simon Menner geht man wie betäubt durch die Räume. Es lohnt eine spätere Rückkehr in das Haus am Ehrenhof, das mit dem Trio unterstreicht, welchen Stellenwert Fotokunst in Düsseldorf hat.

(los)
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