Düsseldorf Alle Zeit der Welt

Düsseldorf · Famose Interpretation: Eliahu Inbal dirigierte die 75 Minuten dauernde 8. Symphonie c-Moll von Anton Bruckner beim Symphoniekonzert in der Tonhalle.

 Dirigent Eliahu Inbal beim Konzert der Düsseldorfer Symphoniker.

Dirigent Eliahu Inbal beim Konzert der Düsseldorfer Symphoniker.

Foto: Tonhalle/Diesner

Wenn Symphonien nach dem erklärten Willen ihres Komponisten sehr, sehr lang sind, wäre es töricht, wollte der Dirigent diese Zeitmaße durch forcierte Tempi verkürzen. Das betrifft natürlich vor allem die Werke des großen Anton Bruckners. Der legendäre rumänische Sergiu Celibidache etwa hat deren Riesendimensionen stets mit großem Genuss und noch größerer Meditation ausgekostet, als gleichsam buddhistischen Akt. Dafür sprach stets, dass Bruckner selbst geruhsame, feierliche Tempi schätzte. Celi ahnte das: Zum Raum wurde bei ihm die Zeit - und der Weg zum Ziel.

Ganz ähnlich, wenn auch nicht mit Celis Neigung, sogar aus schnellen Sätzen langsame zu machen, führte jetzt der große Eliahu Inbal die zyklopische Symphonie Nr. 8 c-Moll von Anton Bruckner in der Tonhalle auf. Alle Zeit der Welt haben, nichts zwingen, nichts hektisch werden lassen und trotzdem die Form nicht zu überdehnen - dieses Interpretationsprinzip bescherte den Musikfreunden ein großes Wachsen von Musik, einen unerbittlichen Mahlstrom. Allerdings keinen unendlichen Spaß: Größter Ernst lag über der Aufführung (der Urfassung von 1887), doch gab Inbal nicht den Mystiker, der für den katholischen Bruckner das Weihrauchfässchen hervorholte. Sie war für ihn ein gebetsfreier Bezirk, diese Symphonie, nicht doktrinär, nicht ideologisch, keine pseudoreligiöse Bekundung, sondern einfach: Musik als sich selbst erschaffende Prozesskunst. Er dirigierte eine Symphonie, keine Enzyklika.

Man sah es allein an der Art, wie Inbal dirigierte. Schlug er jemals über längere Phasen den Takt an diesem Abend? Nein. Er dokumentierte bewundernswerte Gelassenheit, regulierte höchstens die Dynamik des Orchesters, bat hier und da um Verdeutlichung, fing Schlusskurven meisterlich ab und war ansonsten eine Instanz, unter deren Gegenwart ein Orchester nicht anders konnte, als maximal beflügelt zu spielen. Kurze Instruktionen gab er mit dem linken Arm, beide Arme breitete er zuweilen aus, als wolle er das ganze Orchester und die Musik gleich dazu umarmen.

So machte man bei dieser von den Düsseldorfer Symphonikern wirklich famos gespielten Symphonie typische Bruckner-Beobachtungen: die Kraft des schweren Blechs, das aus dem Background des Klangs mehrfach zu großartigen Demos aufzog; die Delikatesse der Holzbläser; die Einsatzfreude der Streicher; die mysteriöse Präzision der Pauke. Herrlich, wie homogen die Horn- und Tubengruppe funktionierte. Und an den Satzenden registrierte man abermals befriedigt, dass es bei Bruckner erstens wieder prachtvoll wagnerte und zweitens etliche Vorstudien zu jenen Klangverdichtungen gab, die Jahrzehnte später unter dem Stichwort "Minimal Music" aktenkundig wurden. Ja, dieser Bruckner war ein alter Meister, der in die Zukunft schaute.

Überaus herzlicher Beifall.

(w.g.)
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