Düsseldorf 27 Jahre, unprätentiös, kompetent

Düsseldorf · In der Tonhalle lieferte Dirigent Alpesh Chauhan bei den Symphonikern ein fulminantes Debüt

 Dirigent Alpesh Chauhan bei seinem Auftritt am Wochenende in der Tonhalle.

Dirigent Alpesh Chauhan bei seinem Auftritt am Wochenende in der Tonhalle.

Foto: Susanne Diesner

Die Zeit der großen Zampanos am Dirigentenpult scheint endgültig abgelaufen. Der britische Dirigent Alpesh Chauhan ist ein Vertreter der jüngsten Dirigenten-Generation, die heute mit ihrer unprätentiösen Art den Gegenpol zu den Pult-Despoten und Sonderlingen vergangener Tage bilden. Der junge Brite demonstriert in der Tonhalle mit einem gewaltigen Programm aber nun nicht nur Teamfähigkeit, sondern eine stupende Kompetenz, die umso eindringlicher wirkt durch seine Bescheidenheit, die den eigenen Applaus am liebsten weitergibt.

Gewichtigster Programmpunkt des zweieinhalb Stunden langen Abends ist Bruckners ausufernde Vierte, die Chauhan mit seinen gerade einmal 27 Jahren mit souveräner Leichtigkeit organisiert.

Aber der Reihe nach, denn schon die erste Hälfte dieses bemerkenswerten Abends lässt aufhorchen. Zu Ludwig van Beethovens Ouvertüre von "Die Geschöpfe des Prometheus" treten die Düsseldorfer Symphoniker in verschlankter Besetzung auf, und Chauhan versteht das selten zu hörende Werk ganz luzide und entschlackt - eben als ein Stück Ballettmusik und nicht als dräuende Ahnung kommender Symphonie-Heldentaten.

Es folgt Wolfgang Amadeus Mozarts "Sinfonia Concertante" Es-Dur für Oboe, Klarinette, Horn, Fagott und Orchester, ein Werk, dessen Echtheit bezweifelt wird, weil es möglicherweise gar nicht aus Mozarts Feder stammt. Wiederum in Kammerorchester-Stärke spielen die Symphoniker mit charmanter Eleganz auf, Chauhan ermuntert zu sprechenden Phrasierungen und strukturierenden Akzenten bei frischer Gangart, und die vier Solisten sorgen für das erste Bläser-Fest des Abends.

Das Solisten-Quartett mit Gisela Hellrung (Oboe), Wolfgang Esch (Klarinette), Quirin Rast (Horn) und Veikko Braeme (Fagott) stammt aus den Reihen des Orchesters und musiziert mitreißend lustvoll, technisch makellos, klangschön und aufs Innigste verzahnt.

Und dann Bruckner. Schon allein Uwe Schrumpfs grandiose Horn-Soli sind ein Ereignis. Wie er beim gefürchteten Beginn des ersten Satzes über den von Chauhan bewusst trocken intonierten Streicher-Tremoli die Horn-Rufe wie aus weiter Ferne sehnsuchtsvoll anstimmt und dann völlig frei formulierend aussingt, ist wahrhaft famos und von höchster musikalischer Intelligenz. Überhaupt müssen sich die Bläser nicht verstecken hinter den vier Mozart-Solisten, die nun bei Bruckner frei haben.

Prägend ist vor allem die von Schrumpf angeführte fabelhafte Horngruppe, herausragend Guilherme Sousas Oboen-Soli, und auf durchweg homogenem Niveau alle weiteren Holz- und Blechbläser, vor allem letztere fordert Bruckner ja besonders. Bei den Bläsern der Düsseldorfer Symphoniker hat es einen Niveau-Quantensprung gegeben, der es Chauhan ermöglicht, erst recht aus dem Vollen zu schöpfen. So kann er mit etlichen Bruckner-Vorurteilen aufräumen und treibt der "Romantischen" das sonst sich oft einschleichende schwerfällige Stampfen gründlich aus.

Chauhan weicht den wuchtigen Stellen und den soghaft sich steigernden Crescendi aber keineswegs aus, sondern feuert die Höhepunkte sogar höchst pointiert ab. Aber in den Anläufen bleibt er transparent, variiert immer wieder die Phrasierung und sorgt für überraschende dynamische Abstufungen. Chauhan setzt auf höchste Differenzierung der Klangfarben, manchmal klingt es fahl wie bei Mahler, oder die bohrenden Motiv-Wiederholungen wirken wie ein Vorgeschmack minimalistischer Patterns.

Am Ende großer Jubel. Von Alpesh Chauhan wird man noch hören.

(RP)
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