Düsseldorf Kritik an Tierversuchen der Universität

Düsseldorf · Auf Vorrat gezüchtet und über den Hausmüll entsorgt: Informationen unserer Redaktion belegen Mängel in der Tierhaltung für Versuche der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Auch Tierschutzvereine werfen der Hochschule Missstände bei Tierexperimenten vor.

 Die Tierversuchsanlage der Heine-Uni ist hinter teilweise abgehängten Fenstern und Absperrungen untergebracht.

Die Tierversuchsanlage der Heine-Uni ist hinter teilweise abgehängten Fenstern und Absperrungen untergebracht.

Foto: Schaller/Endermann

Der Bundesverband der Tierversuchsgegner und der Düsseldorfer Tierschutzverein üben scharfe Kritik an der Heinrich-Heine-Universität, die in ihrer Tierversuchsanlage (TVA) zwischen 20.000 und 30.000 Tiere wie Mäuse, Hunde, Kaninchen, Schweine und Affen hält. Tiere würden in Experimenten gequält und danach getötet, obwohl es tierversuchsfreie Alternativmethoden gebe und die aus Tierversuchen gewonnenen Erkenntnisse nicht auf den Menschen übertragbar seien. "In der Zahnmedizin werden Beagle-Hunden bis zu 16 Zähne gezogen und Teile ihrer Kieferknochen zerstört, um Knochenschäden beim Menschen zu simulieren und Zahn-implantate einer Firma zu testen, die diese Versuche finanziert. Später werden die Hunde getötet, um die Kieferknochen zu untersuchen", sagt Christina Ledermann vom Bundesverband der Tierversuchsgegner. Ergebnisse solcher Versuche seien wegen anatomischer und physiologischer Unterschiede zwischen Mensch und Tier aber nicht übertragbar. Das meint man auch beim Verein "Ärzte gegen Tierversuche".

Die TVA der Heine-Uni ist seit gut 35 Jahren in Betrieb und beliefert Fachbereiche wie Biologie und Psychologie, in denen zu Ausbildungs- und Forschungszwecken traditionell mit Tieren gearbeitet wird. Auf die Experimente angesprochen, verweist die Hochschule auf eine Broschüre, die Studenten 2014 aus eigenem Antrieb erarbeiteten, um Informationen über Tierversuche an der Uni zusammenzutragen und eine wissenschaftliche Auseinandersetzung zu ermöglichen. Hintergrund: In den vergangenen Jahren hatte es mehrmals Studentenproteste gegen Tierversuche an der Uni und den Zwang, für Leistungsnachweise in Seminaren mit Tieren arbeiten zu müssen, gegeben.

Aus dem Heft, in dem auch Vertreter der Uni zu Worte kommen, geht etwa die Zahl der Versuchstiere und die Art, wie sie getötet werden hervor (Nager werden mit CO2 erstickt, Schweine eingeschläfert, Mäusen wird das Genick gebrochen), und für welche Zwecke sie eingesetzt werden (vor allem für molekulare und biomedizinische Forschung). Zudem weist der damalige Prorektor für Strukturentwicklung in der Broschüre darauf hin, dass Tierversuche "nicht nur zu einem Wissenszuwachs in der Grundlagenforschung geführt, sondern in vielen Fällen auch unmittelbare Auswirkungen für die Behandlung von Patienten gehabt" hätten. So sei "der wirksamste Zielpunkt im Gehirn bei der Hirnschrittmachertherapie von Parkinsonpatienten am Parkinson-Modell des Affen erforscht worden." Die Haltungs- und Versuchsbedingungen entsprächen den gesetzlichen Vorgaben, würden regelmäßig durch eine externe Kontrollbehörde überprüft.

Auf Anfrage unserer Redaktion zu den Ergebnissen dieser Kontrollen, für die das Amt für Verbraucherschutz (Abteilung Veterinäramt) zuständig ist, verweist ein Stadtsprecher auf die morgige Ratssitzung. Dann soll eine Anfrage der Tierschutzpartei, die der Uni Düsseldorf Verschleierung beim Thema Tierversuche vorwirft, zu Art und Umfang der Tierexperimente sowie zu den Ergebnissen der Kontrollen beantwortet werden.

Dass die Behörde in den vergangenen Jahren mehrmals Beanstandungen an der Uni hatte, zeigen Informationen, die unserer Redaktion vorliegen. Demnach entsprachen Käfige bzw. Zwinger für Kaninchen und Foxhound-Hunde nicht den Tierschutz-Verordnungen (sie waren zu klein), einige Tiere (etwa Sauen) wurden entgegen der Nutztierhaltungsverordnung in Einzelhaltung gehalten. Ein Großteil der Tiere (zwischen 30 und 50 Prozent), die "auf Vorrat" gezüchtet worden waren, wurden getötet, ohne jemals in einem Versuch eingesetzt worden zu sein. Einige Versuchstiere wurden über den Hausmüll statt, wie vorgeschrieben, über die Tierkörperbeseitigungsanstalt entsorgt. Die städtischen Mitarbeiter stellten auch eine verschmutzte Umgebung in einem OP-Bereich fest und, dass die Luftfeuchtigkeit in den Räumen deutlich unter den Richtwerten lag. Verendete Ratten und Mäuse, die zuvor in keinen Versuch eingesetzt worden waren, wurden tiefgefroren gelagert und anschließend als Futter an den Aquazoo abgegeben, was die Behörde untersagte. Auch Dokumentationsmängel wurden bei den Überprüfungen festgestellt.

"Die Uni sollte auf moderne, tierversuchsfreie Methoden wie menschliche Zell- und Gewebekulturen und Computermodelle umsteigen und auch die Sezierpflicht abschaffen, so wie es auch Hochschulen wie die Uni Mainz tun, anstatt Tiere zu quälen und mit Steuergeldern wissenschaftlich zweifelhafte Tierversuche durchzuführen", meint Christina Ledermann. Der Contergan-Skandal habe schon vor vielen Jahren gezeigt, "dass Tierversuche nicht geeignet sind, um Risiken für den Menschen auszuschließen." In der Ausbildung könnten mehr Lehrfilme der Tradition an vielen Hochschulen ein Ende bereiten, Tiere zu misshandeln und zu töten. Als abstrus bezeichnet der Verein "Ärzte gegen Tierversuche" Experimente an der Uni. So würde etwa der Zusammenhang zwischen dem männlichen Geschlechtshormon Testosteron und Depression getestet, indem Ratten in einem Wasserbehälter schwimmen müssten. Ratten, die aufgeben und sich treiben lassen, würden als depressiv gewertet. Experimente dieser Art seien für die Entwicklung von Therapien für kranke Menschen irrelevant.

Diese Produkte sind frei von Tierversuchen
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Foto: dpa, Bernd Thissen

"Unis sollten ihre Tierlabore öffnen, um die notwendige Debatte über Tierversuche zu ermöglichen", meint Martin-Sebastian Abel, Sprecher für Tierschutz der Grünen-Landtagsfraktion. "Obwohl die Heine-Uni durch öffentliche Gelder finanziert wird, weigert sie sich, detaillierte Auskünfte über die Tierversuche und -haltung zu geben", bemängelt Monika Piasetzky vom Düsseldorfer Tierschutzverein. Über die Tierexperimente an der Uni erfahre man vor allem aus wissenschaftlichen Studien und Berichten von Studenten, die an der Uni mit Tieren arbeiten müssten. Die Broschüre zu den Tierversuchen zeige, dass der Vorwurf der Intransparenz "so nicht gerechtfertigt ist", meint indes eine Uni-Sprecherin. "In absehbarer Zeit" sei zudem eine Internetseite geplant.

(semi)
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