Neues Buch und TV-Doku Kriminalist Harbort hat sich mit Mörderinnen beschäftigt

Mörderinnen erregen meist weitaus mehr öffentliches Aufsehen als Mörder. "Denn sie brechen ein Tabu", stellt der Kriminalist Stephan Harbort in seinem Buch "Wenn Frauen morden" fest: Von Frauen erwarte man, dass sie Leben schenkten und nicht nähmen. Harbort hat zahlreiche Interviews mit Frauen geführt, die getötet haben. Seine Erkenntnisse sind nicht nur im Buch, sondern auch in einer dreiteiligen Dokumentation verarbeitet, die am 12., 19. und 26. Januar in der ARD zu sehen ist.

 Der Düsseldorfer Kriminalist Stephan Harbort hat für sein Buch Mörderinnen interviewt.

Der Düsseldorfer Kriminalist Stephan Harbort hat für sein Buch Mörderinnen interviewt.

Foto: Droste Verlag

Bei Harborst geht es sowohl um Beziehungstaten als auch um Morde aus Habgier. Er analysierte die Geschichte der Brandenburgerin Sabine H., die neun ihrer Babys nach der Geburt sterben ließ. Er beschäftigt sich auch mit den spektakulären Fällen von "Todesengeln" in Krankenhäusern oder Altersheimen.

Eines seiner Kernthemen: Geht es um Beziehungstaten, töten Männer meist, wenn ihnen der Verlust der Frau oder der Familie droht - nach dem Motto: "Wenn sie nicht bei mir bleibt, soll sie auch kein anderer haben." Frauen dagegen töten eher, um den Partner loszuwerden, aus dem Gefühl heraus, sich oder andere schützen zu müssen beziehungsweise wollen: "Er ist im Weg, er muss weg."

Ein Mann tötet seine Partnerin also häufig im Affekt. Bei der Frau "wird das affektiv wirksame Moment eher im Vorfeld der Tat zu suchen sein", schreibt Harbort." Statistisch gesehen tritt der Beziehungs-Super-GAU durchschnittlich nach fünf Jahren ein, wenn die Frau beschließt, das Problem Mann gewaltsam aus der Welt zu schaffen", stellt er weiter fest.

Bei Frauen, die ihre neugeborenen Kinder töten, sieht Harbort eine klare Mitschuld der Väter. Strafrechtlich würden nur die Frauen zur Rechenschaft gezogen." Allerdings wäre es grundfalsch, die Täterinnen allein für diese Tragödien verantwortlich zu machen", schreibt er. Auch der Vater handele unverantwortlich, wenn er sich nicht um die werdende Mutter und ihre Probleme kümmere." Was sind das für Männer, die das Ende einer Schwangerschaft bemerken und nicht danach fragen, wo das Baby ist?", fragt er.

Aber auch die Familie, Freunde, Kollegen oder Nachbarn sieht er in der Pflicht. Undenkbar seien solchen Taten ohne ein familiäres und berufliches Umfeld, das sich immer wieder abwende und schweige, schreibt Harbort." Das Ablehnen dieser sozialen Verantwortung ist sicher auch ein Verbrechen, allerdings eher ein moralisches."

Das soziale Umfeld von "Todesengeln" schaut weg

Die Taten sogenannter Todesengel sind nach Harborts Ansicht ebenfalls nur möglich, weil das soziale Umfeld wegschaut. "Solche Dramen können nur dann ihre unheilvolle Dynamik entwickeln und in Patiententötungen münden, wenn die dringend hilfsbedürftigen Helferinnen sich in ihrem Elend selbst überlassen bleiben", stellt der Kriminalist fest.

Er geht ausführlich auf die Geschichte der Wuppertaler Krankenschwester ein, der Ende der 80er Jahre die Tötung von 17 Patienten vorgeworfen und die schließlich in acht Fällen verurteilt wurde. Über sie sei bereits getuschelt worden, weil etwa drei Viertel der Patienten auf der Intensivstation während ihrer Dienstzeit gestorben seien. Reagiert habe lange Zeit niemand, weder Kollegen noch Vorgesetzte. "Auf die moralische Anklagebank gehört aber auch eine Sozialgemeinschaft, die zulässt, dass gerade das Personal von Intensivstationen oder Pflegeheimen mit Aufgaben und Patienten überfrachtet und vielerorts überfordert wird."

Geht es um Mord oder Totschlag, gibt es wesentlich weniger Täterinnen als Täter: Nur 10 bis 15 Prozent aller Tötungsdelikte werden von Frauen begangen, die meisten davon werden im häuslichen Bereich verübt. Selten geht es den Täterinnen darum, sich einen finanziellen oder sonstigen Vorteil zu verschaffen, wie Harbort schreibt. "Vielen Frauen, egal, wie oft sie töten, und egal, gegen wen die Taten gerichtet sind, geht es um Selbstschutz, Selbstbehauptung und Selbstverwirklichung." Er kritisiert, dass oft nicht danach gefragt werde, warum Frauen morden und warum sie es seltener tun als Männer. Die Taten in einen sozialen Zusammenhang zu setzen, sei ein Weg, solchen Verbrechen vorzubeugen.

Buch: Stephan Harbort: "Wenn Frauen morden", Eichborn Verlag, ISBN 978-3-8218-5703-9, 16,95 Euro.

(AP)
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