"Krav Maga" im Test Wie Frauen Angreifer abwehren können

Zwei Jahre her sind die Ereignisse der Kölner Silvesternacht - und immer noch haben viele Frauen das Gefühl, dringend lernen zu müssen, wie man sich gegen Angreifer wehrt. Viele machen dazu einen Kurs in "Krav Maga". Hilft das? Ein Selbstversuch.

Wann war ich das letzte Mal so ratlos? Mit einem schnellen harten Griff umklammert Achim Drießen meinen Hals und drückt mich im Schwitzkasten nach unten. Was tun? Wie komme ich hier verdammt noch mal wieder raus? Auf seine Füße treten, an seinem Arm zerren. Wir rangeln zwar etwas herum, aber frei komme ich auf diese Weise nicht.

Die Situation ist ungewohnt. Unangenehm. Auch als Drießen mich mit beiden Händen um den Hals packt und in den Würgegriff nimmt. Er macht richtig Stress. Das ist auch gut so und Teil des Trainings im Frauen-Fitnessstudio "Like a woman" an der Kölner Landstraße in Düsseldorf. "Im Straßenkampf geht es um Leben und Tod. 'Krav Maga' ist kein Sport", sagt Drießen. "Im Sport gibt es faire Regeln, auf der Straße nicht."

Das oberste Ziel von "Krav Maga" kommt mir sehr entgegen, ich habe es schon verinnerlicht, bevor ich die Kampftechnik kennengelernt habe. Sie heißt: "Don't be there". Sei nicht da. Gehe Gefahren aus dem Weg. Sei wachsam, hab die Umgebung im Blick, schau nicht ständig aufs Handy. Und doch kann es sein, dass die Gefahr plötzlich hinter dir steht, ein Typ, der ein Opfer sucht und gewalttätig wird. Der einen in den Würgegriff oder den Schwitzkasten nimmt. Dann ist sie wieder da die Frage: Was tun?

Die Antwort, die "Krav Maga" gibt, ist simpel. Weibliche Zurückhaltung ist nicht gefragt. Es gilt den Gegner kampfunfähig zu machen, um dann schnell zu fliehen. Wie macht man einen Gegner kampfunfähig? "Head and nuts", sagt Drießen nur. Also gegen Kopf und Geschlechtsteil schlagen oder treten.

"'Krav Maga' ist bewusst einfach, ohne komplizierte Techniken, die man Jahrzehnte lang trainieren muss." Was man als Frau sehr wohl trainieren muss, das ist, die Hemmungen abzulegen. Drießen trägt unter seiner schwarzen Hose einen Schutz. Im Würgegriff fällt es nicht schwer, ihn kräftig in den Schritt zu treten, dann von außen im Klammergriff seine Arme vom Hals wegzureißen. Geschafft. Im echten Leben hätte ich dafür nur wenige Sekunden Zeit. Ob ich so schnell reagieren könnte?

 Die Hände an den Hals des Angreifers legen - das kostet schon einiges an Überwindung.

Die Hände an den Hals des Angreifers legen - das kostet schon einiges an Überwindung.

Foto: Bretz Andreas

Dann im Schwitzkasten soll ich meine Füße vor und hinter ihm positionieren und mit der Faust ins Geschlechtsteil schlagen. Ein entschlossener Schlag sieht anders aus, aber es ist ja kein Ernstfall und ich möchte dem Trainer nicht wehtun. Trotzdem krümmt er sich und ich greife mit seiner anderen Hand nach seinem Kopf und drücke ihn weg. Er fällt, ich bin frei. Auf die Idee, nach dem Kopf zu greifen, wäre ich nicht gekommen, so im Schwitzkasten mit dem Blick auf den Boden.

In einer eigentlich einfachen Situation brauche ich Nachhilfe. Drießen packt mich am Handgelenk und zieht mich mit sich. "Stell dir vor, dein eifersüchtiger Ex holt dich aus der Kneipe." Wieder macht mich die Ratlosigkeit untätig. Dabei ist die Lösung einfach. An der Stelle, wo sein Daumen und seine Finger aufeinandertreffen, muss ich meinen Arm herausreißen und schon bin ich frei. Packt er mein Handgelenk mit beiden Händen, nehme ich meine andere Hand zur Hilfe, um mich mit mehr Kraft herauszuziehen.

Zu erleben, dass ich Griffe und Techniken anwenden kann, mit denen ich die Situation wenden kann, gibt mir ein gutes Gefühl. Damit ich sie im Ernstfall parat habe, ist stetes Training gefragt. Außerdem macht mir Drießen klar, dass die realen Situationen immer andere sind als im Studio. Wichtig und hilfreich ist eine entschlossene Haltung. Das Motto heißt: "Ich schaffe das."

(RP)
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