Kolumne rund ums Rathaus Klamme Kassen - und keiner reagiert

Düsseldorf · Fast im Monats-Rhythmus nimmt die Stadt inzwischen neue Kredite auf. Doch die Politik bleibt auffallend ruhig - sogar die FDP.

 Erst Anfang März hatten Oberbürgermeister Thomas Geisel und Kämmerin Dorothée Schneider einen 90-Millionen-Euro-Kredit bei einer Bank angekündigt, jetzt kamen rund 30 Millionen Euro hinzu.

Erst Anfang März hatten Oberbürgermeister Thomas Geisel und Kämmerin Dorothée Schneider einen 90-Millionen-Euro-Kredit bei einer Bank angekündigt, jetzt kamen rund 30 Millionen Euro hinzu.

Foto: Andreas Endermann

So bitter es ist, dass die finanzielle Situation Düsseldorfs sich drastisch und wohl dauerhaft verschlechtert, so interessant sind die Reaktionen der Politik. Oder sollte man besser sagen das Nicht-Reagieren?

Denn genau das passiert gerade. Seit Jahresbeginn verkündet Kämmerin Dorothée Schneider fast im Monats-Rhythmus, dass der Stadt das Geld fehlt, um wichtige Zahlungen zu leisten. Mal standen die Gehälter der städtischen Mitarbeiter an, mal Rechnungen für Leistungen, die die Stadt bestellt hat. Mal waren unvorhergesehene Rückzahlungen bei der Gewerbesteuer die Ursache für den Engpass, mal verzögerte Auszahlungen des Landes. Der Vielfalt der Argumente sind keine Grenzen gesetzt - und es werden mit Sicherheit im Laufe des Jahres noch ein paar hinzukommen.

Denn die Rücklagen des Rathauses sind restlos aufgebraucht. Es stehen große Investitionen an - Neubauten im Schulbereich, auch Sanierungen von Bestandsgebäuden. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen mussten Kredite bei Banken aufgenommen werden - nicht für Investitionen wohlgemerkt, sondern für laufende Ausgaben wie eben die Gehälter der Mitarbeiter.

Und die Politik? Macht einfach weiter. Dabei ist spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen, klar zu sagen, was Düsseldorf sich eben nicht mehr leisten kann. Denn fest steht auch: Mit mehr als einer Milliarde Euro Steuereinnahmen im Jahr ist die Landeshauptstadt alles andere als arm - ihr fehlt nur die Ausgabendisziplin. Konkret: Sie muss sparen. Doch damit hat man keine Eile.

Spannend ist dabei besonders die Rolle der FDP. Die hatte in den 15 Jahren, in denen sie mit der CDU die Stadt regierte, die wirtschaftliche Schuldenfreiheit mit herbeigeführt und pocht auch in der Kooperation mit SPD und Grünen auf deren Erhalt, knüpft daran sogar die Zukunft der Ampel. Jetzt wurden schon zweimal Bankkredite aufgenommen. Doch der angekündigte Bündnisbruch ist vertagt. Denn auch die Liberalen sind einfallsreich beim Argumentieren. Sie hätten nämlich nicht zugestimmt, wenn man sie gefragt hätte. Nur leider erfordert das Agieren der Kämmerin noch keinen Ratsbeschluss. Immerhin fordert die FDP die Stadtverwaltung auf, ein Konzept vorzulegen, wie Geld gespart oder eingenommen werden kann. Eilig haben es die Liberalen allerdings auch damit nicht: Die Frist läuft bis zur Haushaltseinbringung Mitte September. Eigene Ideen? Soll es geben, aber zuerst soll die Verwaltung etwas auf den Tisch legen.

Die Verzögerungstaktik könnte damit zu tun haben, dass Ende Juni auch bei der FDP die Nominierungen für Land- und Bundestag anstehen - unpopuläre Sparpläne könnten da nur unangenehme Nebenwirkungen provozieren.

Die SPD gibt sich da deutlich entspannter. Dem Schuldenfrei-Hype von Schwarz-Gelb konnten die Genossen noch nie etwas abgewinnen. Weil sie dies schon immer für ein schönes Märchen hielten, vor allem aber, weil sie Schulden nicht prinzipiell für verwerflich halten. Wenn investiert wird, wenn also Werte geschaffen werden, so die Überzeugung, können Schulden rentierlich sein. Und darin sind sich die führenden Sozialdemokraten, inklusive Oberbürgermeister Thomas Geisel, ausnahmsweise mal alle einig.

Die Grünen fahren in der Frage einen Wackelkurs. Einerseits pochen sie auf Nachhaltigkeit und Einhalten der Schuldenbremse, die sie gemeinsam mit CDU und FDP beschlossen haben. Andererseits wollen sie jetzt, da sie nach all den Jahren wieder an der Regierung sind, nicht wieder diejenigen sein, die den Rotstift ansetzen. Deshalb sagen sie zu all dem so wenig wie möglich. Festlegen scheint mit Blick auf den möglichen Bruch der Ampel und neue Bündnisse (mit der CDU?) die falsche Strategie zu sein.

Die CDU wiederum sieht sich als einzig wahre Wahrerin der Schuldenfreiheit. Sie kann aber von der Oppositionsbank aus nur wenig bewirken - und muss sich den berechtigten Vorwurf gefallen lassen, in ihrer Regierungszeit einerseits über die Verhältnisse gelebt zu haben (mit Großprojekten wie Kö-Bogen und Wehrhahn-Linie), andererseits anstehende Investitionen wie Schulsanierungen auf die lange Bank geschoben zu haben. Auch sie ist deshalb in der Pflicht, konstruktive Vorschläge zu machen, wo gespart, was verkauft werden sollte. Dies auch mit Blick auf neue Bündnisse: Schwarz-Grün wäre ebenso eine (knappe) Mehrheitsoption wie eine große Koalition mit der SPD.

Die klamme Kassenlage trifft also auf besondere politische Gegebenheiten. Die Wahlen 2017 und die Bündnisstrategien für die Nach-Ampel-Zeit sind aber das eine, der Wert einer solide wirtschaftenden Stadt das andere. Die finanzielle Situation ist zu ernst, um Spielball politischer Winkelzüge zu werden.

(RP)
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