Geheime Mottowagen zu Karneval Die "New York Times" besucht Jacques Tilly

Düsseldorf · Mit Spannung erwarten die Jecken im Rheinland jedes Jahr die Kreationen von Wagenbauer Jacques Tilly. Diesmal hat sich sogar die "New York Times" auf den Weg nach Düsseldorf gemacht, um herauszufinden, wen der 52-Jährige in diesem Jahr aufs Korn nimmt. Denn spätestens seit seinem Putin-Wagen vor zwei Jahren blickt auch die internationale Presse gespannt auf die satirischen Wagen des Düsseldorfers.

 Jacques Tilly mit einer seiner Kreationen.

Jacques Tilly mit einer seiner Kreationen.

Foto: dpa

Die große Halle ist vollgestellt mit bunten Mottowagen, sie sind verziert mit feiernden Karnevalsprinzen aus Pappmaché, mit bunten Landschaften, der Düsseldorfer Skyline und Schriftzügen. Stolz führt Jacques Tilly seine Besucher von Übersee durch die Reihen von Wagen, die er und sein Team für den Rosenmontagszug kreiert haben. Doch die Journalisten der "New York Times" interessieren sich eigentlich nur für eines: Das große Zelt, das die Halle dominiert, und in dem sich die politischen Mottowagen befinden. "Er gibt nichts preis und weigert sich standhaft uns zu sagen, was sich darunter befindet", ist später in dem Artikel der US-Zeitung zu lesen.

Die politischen Mottowagen sind Geheimsache. Da macht der 52-jährige Düsseldorfer auch für die "New York Times" keine Ausnahme. Seit Jahren sorgen die Wagen des Künstlers weltweit für Aufsehen. 2015 thematisierte er den Anschlag auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo. Seine Botschaft: "Satire kann man nicht töten." Im Jahr zuvor waren es Bilder des Wagens, der Putin und die Annexion der Krim thematisierte, die um die Welt gingen. Nur wenige Tage vor dem Rosenmontagszug war der Wagen entstanden.

Derweil rätseln die Jecken, womit Tilly, der seit 1983 Wagen für den Düsseldorfer Karneval baut, die Karnevalisten diesmal überraschen wird. Leicht hat er es sich nicht gemacht, wie er Ende Januar bei der Verleihung des Jan-Wellem-Rings erzählte: "Obwohl noch längst nicht alle Wagenideen entwickelt sind, können sich die Düsseldorfer, soviel kann man jetzt schon sagen, auch dieses Jahr wieder auf die Mottowagen freuen", sagte Tilly. Doch musste er auch zugeben, dass er in dieser Session "ein ernstes Problem hatte. Wie soll ich Volkes Meinung in möglichst witzige und treffende Bilder gießen, wenn die Meinung des besagten Volkes derart gespalten ist wie in diesen Tagen?"

Die aktuelle Flüchtlingswelle, die Übergriffe von Köln in der Silvesternacht, die wachsende Popularität der AfD, der Islamische Staat (IS) — all das könnte in einem der Mottowagen thematisiert werden, glaubt auch die "New York Times". Doch verraten hat Tilly nichts. Der wurde übrigens nicht zum ersten Mal in der internationalen Presse erwähnt. "2003 haben wir einen Wagen gebaut mit Saddam Hussein und George Bush als Kuschelpärchen im Bett", erzählt Tilly vor drei Jahren in einem Interview mit unserer Redaktion. "Der Wagen war am Anfang der Tagesthemen zu sehen und am nächsten Tag fast auf jeder Titelseite. Seitdem genießen unsere Wagen einen recht guten Ruf. Ich habe mir im vergangenen Jahr mal angeguckt, wie das international wahrgenommen wird. Das ist unglaublich: New York Times, Toronto Times, CNN, Zeitungen in Vietnam — sie alle zeigen unsere Wagen und benutzen die Bilder sogar, um politische Artikel zu illustrieren."

Dass nun aber Journalisten vor Ort in Düsseldorf auf Spurensuche gehen, ist neu. Wie und ob Jacques Tilly das Flüchtlingsthema umsetzen wird, konnte aber nicht einmal die New York Times herausfinden. Der Wagenbauer weiß eben, wie man ein Geheimnis bewahrt. Spätestens am Montag wird es gelüftet — sofern der Zug nicht wegen eines drohenden Sturms abgesagt wird. Und dann landen Bilder von Tillys Wagen bestimmt auch wieder in der internationalen Presse.

(jnar)
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