Die Woche im Rathaus Kampf ums Wortungetüm

Meinung | Düsseldorf · Die Kultur hat keine Lobby? Von wegen: Die Arbeit am Kulturentwicklungsplan zeigt sehr anschaulich, wie Interessenvertreter sich durchsetzen können. Nun bringen sich die Gegner in Stellung und wollen ihre Meinung in Hirne und Gremien tragen.

 So sieht das Deckblatt zum Entwurf des Abschlussberichts zum Kulturentwicklungsplan aus (hier: am Cornelius-Denkmal im Hofgarten)

So sieht das Deckblatt zum Entwurf des Abschlussberichts zum Kulturentwicklungsplan aus (hier: am Cornelius-Denkmal im Hofgarten)

Foto: Andreas Endermann

Der Abschlussbericht zum Kulturentwicklungsplan umfasst 102 Seiten, 45 Vorschläge für die hiesige Kulturlandschaft und drei bittere Stellen. Seite 11: "Keine umfassende Bestandsaufnahme der kulturellen Infrastruktur. Keine Evaluation einzelner Einrichtungen." Seite 59: "Das Thema ,Reform der städtischen Museumsinstitute' wird seit Jahren diskutiert und ist bis heute virulent." Und Seite 67: "Die vorhandenen Daten zum Düsseldorfer Kulturpublikum sind bislang recht dünn gesät." Zusammengefasst besagen die drei Stellen, dass der Bericht erstellt wurde, ohne dass man weiß, welche Kultur die Bürger wollen und nicht wollen, und ohne dass der Ist-Zustand daraufhin untersucht wird, welche Kultureinrichtungen Sinn machen und welche nicht.

Mit dieser Bürde geht der Bericht, der unserer Redaktion im Entwurf vorliegt, in die entscheidenden Diskussionen, etwa heute im eigens gegründeten Beirat. Die Beratungen werden vor allem ein Duell zweier Lobbygruppen sein. Ein Interesse zieht sich erkennbar durch den gesamten Bericht: das der sogenannten freien Szene, der vor allem SPD und Grüne im Ampel-Kooperationsvertrag umfassende Versprechen gemacht haben. Die Verfasser des Berichts stellen passenderweise fest, dass sich viele Kultureinrichtungen verhalten für Akteure der freien Szene öffnen und dass am Düsseldorfer Kultur-Netzwerk nur wenige Akteure partizipieren. Sie postulieren, dass Düsseldorf eine möglichst "ausdifferenzierte Kunst- und Kulturlandschaft" braucht, mehr Förderung freier Akteure sowie ein Kulturquartier am Hauptbahnhof, also am Konrad-Adenauer-Platz 1, und andere Modellprojekte. Was so selbstverständlich hergeleitet klingt, ist letztlich Ausdruck derjenigen, die sich an den Interviews und Workshops beteiligt haben. Nach Angaben der Verfasser "weit über 200 Akteure", nach Angaben von Kennern wenige Bürger und reichlich Vertreter der freien Szene. Bei denen wiederum handelt es sich mitnichten um junge, wilde, aufstrebende Künstler, die in Zukunft den Ruhm der Stadt mehren wie Beuys oder Gursky, sondern in den meisten Fällen um Künstler gesetzteren Alters, die an einer ordentlichen Versorgung mit öffentlichen Mitteln sehr interessiert sind.

Dieser deutliche Schwerpunkt zugunsten der freien Szene hat die Gegner des Kulturentwicklungsplans zu neuen Aktionen bewegt. So versucht nach Informationen unserer Redaktion beispielsweise der Kulturausschussvorsitzende Friedrich Conzen (CDU) die Mitglieder des Kulturbeirats von seiner Position zu überzeugen. Conzen kommen die renommierten Kultureinrichtungen viel zu kurz. Tatsächlich tauchen sie im Bericht auch nur an einer Stelle auf: "Düsseldorf ist geprägt durch bedeutende Kulturinstitutionen, die in die Stadt hineinstrahlen." Dieser Umstand wird anschließend anscheinend als selbstverständlich vorausgesetzt. Wie sich diese Institutionen entwickeln können und sollen, steht nicht im Bericht, ebenso wenig wie die mögliche Finanzierung der Forderungen für die freie Szene. Da es mehr Geld für die Kultur als die aktuellen 136,6 Millionen Euro geben wird, würde mehr Geld für eine Seite wohl Kürzungen für die andere Seite bedeuten.

Bei aller Kritik: An einer Reihe von Stellen hat die Analyse auch große Stärken. So attestieren die Verfasser der Verwaltung mehr oder minder diplomatisch, dass sie "lückenhaft" kommunizieren, die Kulturakteure unzureichend vernetzen und die kulturellen Angebote der Stadt für Düsseldorfer und Touristen nicht sichtbar genug sind. Die Aufgaben der Verwaltung sollen präzisiert und angepasst werden, um zukunftsfähig zu sein. Dazu zählen zum Beispiel eine bessere Zusammenarbeit zwischen Kultureinrichtungen und Schulen oder eine digitale Kommunikationsstrategie. Kulturdezernat und Kulturamt haben ganz offensichtlich keine gute Lobby.

(hdf)
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