Düsseldorf Junge Syrerin fasziniert von Kommunalpolitik

Düsseldorf · Dima Edries, 29, ist alleinreisend als Flüchtling nach Düsseldorf gekommen. Sie möchte bleiben.

 Dima Edries studierte in Syrien Betriebswirtschaftslehre. Sie gehört einer liberalen Strömung des Islam und bekam Drohungen von Extremisten.

Dima Edries studierte in Syrien Betriebswirtschaftslehre. Sie gehört einer liberalen Strömung des Islam und bekam Drohungen von Extremisten.

Foto: H.-J. Bauer

Die Sitzungen des Stadtrates sind meist kein großes Vergnügen: lange Tagesordnungen, dröge Wortbeiträge, ideologisch, selten inhaltlich geprägte politische Debatten. Als Dima Edries jedoch am 5. November auf der Zuschauertribüne saß, war sie begeistert. Die junge Frau ist Syrerin, und es war auch vor Ausbruch des Bürgerkriegs undenkbar, als einfacher Bürger an einer Sitzung eines solchen Gremiums teilzunehmen. "Das war immer mein Traum, deshalb war das ein großartiger Augenblick für mich", sagt sie.

Selbstbewusst wirkt die 29-Jährige, die zu einer liberalen Glaubensrichtung des Islam gehört. Ihr Haar trägt sie offen, sie ist modern gekleidet - und sie gehört zu der Minderheit der alleinreisenden Frauen unter den Flüchtlingen. In Düsseldorf machen sie nur 4,2 Prozent der Bewohner in den Unterkünften aus.

Edries ist in Salamya, einer Ortschaft nahe der syrischen Stadt Hama, geboren. Eine arme Region, Jobs gibt es so gut wie keine. Ihre Familie ließ sie ziehen, Edries machte ein Diplom in Betriebswirtschaftslehre und Marketing, fand eine Stelle in Aleppo, die sie aber mit dem Bürgerkrieg verlor. Mit dem wachsenden Einfluss der Terrororganisation IS wurde es für sie schwer. Selbst wenn sie sich verschleierte, ging aus ihrem Pass hervor, dass sie aus einer liberalen Strömung stammt. Sie habe Todesdrohungen erhalten und sich schließlich entschlossen, zu flüchten.

Das ist zwei Jahre her. Die meiste Zeit verbrachte sie in Istanbul, wo sie an einer Hotelrezeption für wenig Geld arbeitete und wo sie ihren Freund kennenlernte. Der 27-Jährige stammt aus demselben Ort, bewusst wahrgenommen hatten sich die beiden zuvor aber nicht. "In Istanbul hatten wir eine schwere Zeit, manchmal hatten wir nicht mal ein Stück Brot, das hat uns aber zusammengeschweißt."

Mit der Flucht verloren sie sich. Jetzt ist er in Schweden, sie in Düsseldorf. Am 13. September kam sie mit dem Zug am Hauptbahnhof an. Für sie steht fest: "Hier will ich bleiben." Seit 25 Jahren sei Deutschland ihr Traumland. Weshalb? Sie weiß es nicht, schon als Kleinkind habe sie angekündigt, in Aleppo studieren und in Deutschland leben zu wollen. Jetzt will sie so bald wie möglich Deutsch lernen. "Die Sprache ist das Wichtigste", sagt sie und blickt über den Rhein. Der Wind lässt ihr langes, schwarzes Haar flattern.

Wie ist es als Frau unter Männern, von denen die meisten aus extrem konservativen Kulturkreisen kommen? In der Messehalle 8a, wo sie zuerst untergebracht wurde, sei es als Frau nicht einfach gewesen. 20 bis 25 Menschen waren dort jeweils in einem Bereich einquartiert, abgetrennt nur mit dünnen Wänden. Edries wurde Segmenten mit Familien zugeteilt, "aber auch in Familien leben Männer". Wie viel besser sei es dagegen in der Unterkunft in Eller gewesen, zu acht in einem relativ privaten Bereich. Als sie und einige Mitbewohner in die Messe verlegt wurden, ihnen dort ein ruppiger Ton entgegenschlug und an dem Tag auch noch die Taschengeldauszahlung ausblieb, flüchteten sie kurzerhand - zurück nach Eller. "Zurück zu unserer Familie, das war, was wir in dem Augenblick empfunden haben."

Nach so vielen Irrungen konnte selbst ein Großraumzelt zur Heimat werden. Mit Tränen in den Augen und schweren Herzens verwehrte die Betreuerin der Elleraner Unterkunft den Rückkehrern den Eintritt. Ordnung muss sein im ohnehin schon so unübersichtlichen System der Flüchtlingseinteilung. In dieser Situation traf Dima Edries die Flüchtlingsbeauftragte der Stadt, Miriam Koch - und die war angetan von der jungen Frau: "Ich fand toll, wie selbstbewusst sie ihr Anliegen vertrat." Auch der Aufenthalt in der Messe war nur von kurzer Dauer. Die Syrerin kam nach Kerken, nach Kevelaer, schließlich nach Bocholt. Erst nach Monaten in Deutschland wurde sie überhaupt registriert.

"Das muss man sich mal vorstellen", sagt Koch. "Da kommt eine junge Frau aus einem Kriegsgebiet über die Türkei nach Deutschland - und verliert sich hier im Behördendschungel." Über eine formelle "Verlassenserlaubnis" hat Koch die 29-Jährige zurück nach Düsseldorf geholt. Jetzt lebt sie in einer von der Diakonie betreuten Unterkunft in Golzheim. Das Ziel sei aber eine "Verlegungserlaubnis", sagt Koch. Dann werde Dima umgemeldet, erhalte auch ihre Post nach Düsseldorf. Die Begründung liegt für die Flüchtlingsbeauftragte auf der Hand: erste Integrationskontakte, ein Netzwerk, alleinreisende Frau. Mit dem Job-Center gebe es bereits einen Kontakt. Edries' Arabischkenntnisse sind gefragt.

Bleibt noch die Frage, wie die Liebenden zusammengebracht werden können. Vor vier Monaten hat Dima Edries ihren Freund das letzte Mal gesehen, über das Smartphone sind sie ständig in Kontakt, stolz zeigt sie die Freundschaftsbändchen an ihrem Handgelenk. Sie wollen heiraten. "Verheiratete haben mehr Rechte", sagt Dima Edries und zeigt Fotos: die beiden am Strand in Istanbul, in Parkanlagen, beim Grillen mit Freunden. "Niemals werde ich nach Schweden gehen. Er will wegen mir hierher kommen."

(dr)
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