Düsseldorf Jüdische Gemeinde verleiht Medaillen

Düsseldorf · Richter Jan-Robert von Renesse und der Verein Heimatsucher, der das Leben von Shoah-Überlebenden dokumentiert, sind die neuen Träger der Josef-Neuberger-Medaille. Gestern Abend wurden sie geehrt.

 Wurden gestern Abend in der Synagoge geehrt: Jan-Robert von Renesse und Katharina Spirawski für den Verein Heimatsucher.

Wurden gestern Abend in der Synagoge geehrt: Jan-Robert von Renesse und Katharina Spirawski für den Verein Heimatsucher.

Foto: Andreas Endermann

Daran, wie alles begann, erinnert sich Katharina Spirawski von den Heimatsuchern noch genau. "Während des Studiums in Düsseldorf schauten sich meine Mitstreiterinnen eine TV-Dokumentation über die oft lebenslangen Brüche jener an, die den Holocaust überlebt hatten. Die Idee, selbst solche Menschen zu befragen, war geboren", sagt die 29-jährige.

Das war vor sieben Jahren. Seitdem besuchen die inzwischen rund 200 Aktiven des Vereins Überlebende. 27 haben sie bislang getroffen, zunächst in Israel, später auch in Deutschland. Dokumentationen, ein Film und eine Wanderausstellung, die inzwischen 18.000 Menschen besucht haben, folgten. "Einige Interviewpartner sind verstorben, andere mit über 90 Jahren so schwach, dass sie nicht mehr öffentlich auftreten. In ihrem Namen gehen wir in Schulen, machen über die Erzählungen dieser Überlebenden als ,Zweitzeugen' Geschichte für junge Menschen erfahrbar", sagt Spirawski. Carina Gödecke, Vizepräsidentin des NRW-Landtags, würdigte das Engagement mit Worten, die so treffend waren, dass die Preisträgerinnen zu Tränen gerührt waren. "Es gibt nur eine Rasse Mensch", zitierte die Politikerin aus dem Brief eines Schülers.

Eingesetzt für die Überlebenden der Nazi-Herrschaft in Europa hat sich auch der zweite Preisträger. Als Richter am Sozialgericht setzte sich Jan-Robert von Renesse für die Rentenzahlungen von Zwangsarbeitern in Ghettos ein. Dass der größte Teil der Anträge dieser Opfer negativ beschieden wurde, weil meist nur Akten und Formulare aus der Zeit des Krieges herangezogen wurden, empfindet der Jurist bis heute als "neues Unrecht in deutschem Namen". Als zuständiger Richter änderte er die Vorgehensweise, ließ die Betroffenen selbst zu Wort kommen, fuhr sogar nach Israel, um mit ihnen zusprechen. Die Zahl derer, denen eine Rente bewilligt wurde, stieg damals in seinem Beritt von vier auf rund 60 Prozent.

Als der Richter, den Justizhistoriker Ingo Müller gestern für seinen Mut und seine Konsequenz würdigte, seine Kritik in Briefen und einer Petition an den Bundestag öffentlich machte, kam es zum Konflikt mit dem damaligen NRW-Justizminister Thomas Kutschaty. Das Land verklagte ihn wegen Rufschädigung der Sozialgerichtsbarkeit, ein Disziplinarverfahren, das mit Schweigeverpflichtungen - zumindest vorläufig - endete, schloss sich an. "Peinlich" nannte Laudator Müller das Vorgehen des Landes.

Erfolgreich im Sinne der Betroffenen war von Renesses Arbeit trotzdem. Etwas später änderte das Bundessozialgericht die Verfahrensregeln. Die Anerkennungsquote stieg danach für die, die noch lebten, auf mehr als 90 Prozent.

(jj)
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