Düsseldorf Jonges nehmen die NS-Zeit in den Blick

Düsseldorf · Der Düsseldorfer Heimatverein greift mit einer Ausstellung seine Geschichte auf. Beleuchtet werden auch die Jahre 1933 bis 1945.

 Eine Mitgliederversammlung der Jonges im März 1932, wenige Tage nach der Gründung des Heimatvereins.

Eine Mitgliederversammlung der Jonges im März 1932, wenige Tage nach der Gründung des Heimatvereins.

Foto: Düsseldorfer Jonges

Mit einer Ausstellung zur Vereinsgeschichte im Stadtmuseum und einem großen Fest im nahe gelegenen Rosengarten werden die Düsseldorfer Jonges ihren 85. Geburtstag am Samstag, 29. Juli, als Familientag groß feiern. In der Ausstellung, die bis zum 30. August zu sehen sein wird, widmet sich der mehr als 2800 Mitglieder zählende Heimatverein einem bislang nur sparsam besprochenen Kapitel seiner eigenen Geschichte.

"Wir zeigen, wie die Jonges mit ihrem Mitglied Leo Statz umgegangen sind präsentieren einen Brief des Vereinsgründers Willi Weidenhaupt aus dem Jahr 1943", sagt Volker Ackermann. Der Geschichtslehrer, der am Theodor-Fliedner-Gymnasium unterrichtet und an der Heine-Universität zudem als Professor lehrt, hat sich in den vergangenen Monaten durch das Vereinsarchiv gewühlt. Sein Befund: Die Jonges waren nicht anders als die Mehrheit der deutschen Bevölkerung: Sie machten das, was das Regime erwartete.

Was das konkret bedeutete, zeigt das Beispiel von Leo Statz. Der Direktor der Birresborner Mineralbrunnen AG und engagierte rheinische Katholik war 1937 dem Verein beigetreten. Als ein Angestellter ihn denunzierte, weil er nach Stalingrad gewagt hatte zu sagen "Der Krieg ist verloren, was ihr tut, macht ihr nicht für euer Vaterland, sondern nur noch für Hitler" wurde er verhaftet. Die Jonges, so hat Ackermann recherchiert, hätten zwar ein Gnadengesuch formuliert, in dem sie behaupteten, Statz wäre betrunken gewesen. "Aber als er von Roland Freisler wegen Zersetzungspropaganda zum Tode verurteilt wurde, forderten einige Mitglieder, ihn möglichst noch vor seiner Hinrichtung auszuschließen", sagt er.

 Volker Ackermann (l.) und Wolfgang Rolshoven

Volker Ackermann (l.) und Wolfgang Rolshoven

Foto: jj

Dass die Jonges, deren Mitglieder bei der Gründung im März 1932 vor allem aus dem katholischen Handwerker-Milieu der Stadt stammten und schon deshalb keine besondere Nähe zu den als gottlos geltenden Nazis hatten, nach der Machtergreifung rasch auf Linie waren, lässt sich in der Vereinszeitung "Das Tor" nachlesen. Das Blatt hat Ackermann ausführlich studiert.

In einem Beitrag aus der Mitte der 1930er Jahre hat er folgenden Satz gefunden: "Adolf Hitler, unser großer Führer, ist er fürwahr nicht selbst der größte Heimatsoldat seiner großen Heimat Deutschland geworden? Er hat mit schützender Hand alle diese Ideale verteidigt, die uns im Heimatverein von jeher lieb und heilig waren."

Auch mit immer mal wieder erzählten Legenden räumt der Historiker auf. So sei das "Tor" 1943 nicht deshalb eingestellt worden, weil irgendein christliches Projekt die Nazis verärgert hätte, sondern weil im Rahmen der Kriegsbewirtschaftung Papier rationiert wurde. Gefunden hat der Historiker das in einem Rundschreiben von Vereinsgründer Willi Weidenhaupt aus dem März 1943.

Für das Stadtmuseum als Ausstellungsort haben sich die Jonges bewusst entschieden. "Es war uns wichtig, unsere Entwicklung vor dem Hintergrund der Stadtgeschichte abzubilden", sagt Vereinssprecher Ludolf Schulte. Gezeigt werden aber nicht nur Briefe, auch Fotos, Filme und Tonaufnahmen dokumentieren, was die Jonges bis heute beschäftigt: Wie kann eine sich rasant entwickelnde Großstadt Heimat für ihre Bürger bleiben? Wie kann Stadtplanung so gestaltet werden, dass Düsseldorfer Identität erhalten bleibt?

(jj)
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