Trödelmarkt am Aachener Platz Je oller, je doller!

Düsseldorf · Der Trödelmarkt am Aachener Platz besteht seit 40 Jahren. Nie war Kitsch und Krempel mehr gefragt als heute. Die Retro-Welle ruft.

 Artur Gerke in seiner Trödelhalle. Seit 1976 betreibt er Trödelmarkt, und die nächste Generation ist auch schon dabei.

Artur Gerke in seiner Trödelhalle. Seit 1976 betreibt er Trödelmarkt, und die nächste Generation ist auch schon dabei.

Foto: Andreas Bretz

Das ist nun kein normaler Samstag für Artur Gerke, auch wenn es den Anschein haben wird. Natürlich werden die Leute sich wieder um Parkplätze streiten, natürlich werden wieder ältere Männer durch die Tischreihen des Trödelmarktes am Aachener Platz laufen und auffällig unauffällig sich dem Objekt ihrer Begierde nähern, kein Interesse vortäuschend, denn Interesse, das weiß hier jeder, treibt doch nur den Kaufpreis hoch.

Und natürlich werden wieder Massen von Menschen unterwegs sein auf der Suche oder einfach nur, weil sie die Atmosphäre so mögen, den Geruch von Möbelpolitur, feucht gewordenem Papier und in Fett Ausgebackenem. Gerke allerdings wird ein bisschen feiern, wozu ihm normalerweise ja die Zeit fehlt, weil irgendwer ja dieses Chaos, das Gewühle organisieren muss. 40-jähriges Bestehen feiert der Trödelmarkt heute, und auch wenn es den Anschein hat, als habe sich wenig in der Zeit verändert - Trödler sind ja die größten Traditionalisten überhaupt - es gab einen Wandel in diesen Jahren. Einen dramatischen, sagt Gerke, und wie das so ist, manchmal wundert ihn der doch sehr.

 Schnäppchenjäger um 1980 wussten damals schon, das Wichtigste auf einem Trödelmarkt ist: kein Interesse zeigen.

Schnäppchenjäger um 1980 wussten damals schon, das Wichtigste auf einem Trödelmarkt ist: kein Interesse zeigen.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Gerke ärgerte sich über Wegwerfmentalität

Als Gerke mit dem Trödeln anfing, war das mehr eine Lebenshaltung. Damals studierte er an der Hochschule der Künste in Berlin Design und ärgerte sich sehr über die Wegwerfmentalität der Menschen. Er mochte dieses alte Zeug eben, das einige hier einfach in den Müll warfen oder schlicht an die Straße stellten, auf das es irgendjemand abholt. Nun war das Anfang der siebziger Jahre, und wenn Gerke heute erzählt, was da tonnenweise in die Verbrennungsanlagen wanderte - man könnte heulen: Jugendstil, Bauhaus, Gründerzeit, Gerkes Wohnung etwa bestand damals komplett aus Biedermeier-Möbeln, die niemand mehr haben wollte.

 Zu Anfang waren es nur ein paar Stände. Doch der Stadt gefielen die gar nicht. Der Markt sollte weg. Selbst Joseph Beuys unterschrieb für seinen Verbleib.

Zu Anfang waren es nur ein paar Stände. Doch der Stadt gefielen die gar nicht. Der Markt sollte weg. Selbst Joseph Beuys unterschrieb für seinen Verbleib.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Stattdessen richteten sich die Menschen mit Pressspan aus der Fabrik ein, oder eben mit Möbeln aus Plastik, tauschten den echten Orientteppich der Großeltern gegen den Flokati aus dem Einrichtungshaus ein. Einmal lösten Gerke und sein Freund eine alte Uhrmacherwerkstatt auf. Die Witwe des Uhrmachers war froh, den Kram loszuwerden, sagt er und dann lagen da hübsch in der Reihe die Werke der Firma Lange und Söhne, feinste Handwerksarbeit aus Sachsen, heute unbezahlbar.

Nur die Hüllen der Uhren fehlten, ihr Gold war in den Kriegsjahren versetzt worden. Gerke sammelte also zuerst, verkaufte, doch weil diese Leidenschaft schnell zur Sucht werden kann, entschied er sich, zum Veranstalter von Trödelmärkten zu werden. Erst mobil, 1976 schließlich fest nach dem Vorbild der Trödelmärkte in Paris, die es dem Jazz-Fan auch wegen der Musik so angetan haben. Gerke läuft immer noch gern durch sein Zelt, zwischen den Ständen, ab und zu kauft er auch noch, obwohl er in den 40 Jahren als Veranstalter natürlich beinahe alles gesehen hat. Besonders die Trends.

Nur noch wenige Spielzeug-Liebhaber

Gern erzählt er etwa die Geschichte der Zinnteller, -krüge und -schalen, die in den achtziger Jahren wie verrückt gesammelt wurden und inzwischen fast gar nicht mehr gehandelt werden. Oder von den Puppen und Teddybären, die zum Teil für Unsummen Liebhaber gefunden haben, altes Spielzeug ging früher wahnsinnig gut, sagt er, heute kaum noch.

Oder von den Möbeln aus Weichholz, die von den Käufern früher sogar abgebeizt wurden. Auch für die gibt es keine Käufer mehr. Allerdings, und da kommt man schnell zu den neuen Trends, haben die findigen Trödelhändler eine Art gefunden, wie sie die Möbel doch noch unter die Leute bringen. Im "Shabby Chic" gehen die Stücke weg, eine Stilrichtung, die über Großbritannien und Kalifornien gerade auch in Deutschland angesagt ist. Und so stehen viele alte Tische, Schränke und Bänke aus Weichholz nun in Pastellfarben da, grün, blau oder in Weiß, scheinbar laienhaft angemalt und mit Macken an den richtigen Stellen. Es gehört zum Trödeln dazu, erfindungsreich zu sein.

Dem Vintage-Trend Tribut zollen

Manchmal finden sich aber auch klassische Schönheiten noch am Aachener Platz. Jede Epoche habe ihre guten Sachen gehabt, sagt Gerke. Und auch wenn der Trödel-Trend im Laufe der 40 Jahre auch mal weniger wurde, wenn es heute auch schwieriger als früher ist, große, alte Eichenmöbel zum Beispiel aus der Jahrhundertwende zu verkaufen, das Bedürfnis nach Nachhaltigkeit und weniger Konsum, ist bei immer mehr Menschen verbreitet.

Hinzu kommt der Vintage-Trend, dem man auf dem Trödel am Aachener Platz Tribut zollt. Und irgendwie schließt sich da auch für Gerke der Kreis. Die Sachen, die als er anfing, neu waren, sind heute begehrte Stücke auf seinem Markt.

(RP)
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