Gregor Berghausen "Industrie bleibt das Rückgrat der Wirtschaft"

Düsseldorf · Der neue IHK-Hauptgeschäftsführer Gregor Berghausen will die Umwidmung von Industrie-Arealen zu Wohngebieten verhindern.

 IHK-Hauptgeschäftsführer Gregor Berghausen: "Ausgewiesene Gewerbeflächen in Düsseldorf dürfen trotz knappen Wohnraums nicht in Wohnflächen umgewandelt werden. Nicht nur für die großen, auch für mittelständische Unternehmen sind Flächen das A und O."

IHK-Hauptgeschäftsführer Gregor Berghausen: "Ausgewiesene Gewerbeflächen in Düsseldorf dürfen trotz knappen Wohnraums nicht in Wohnflächen umgewandelt werden. Nicht nur für die großen, auch für mittelständische Unternehmen sind Flächen das A und O."

Foto: Andreas Bretz

Herr Berghausen, Sie sind von der IHK Köln an die Spitze der IHK Düsseldorf gewechselt. Ist das problematisch?

Berghausen Es gibt viele sehr gute Ideen aus Düsseldorf. Wir müssen das Kirchturmdenken hinter uns lassen. Die Rivalität der beiden rheinischen Metropolen ist vielleicht was für den Karneval, aber nicht für die Wirtschaft. Die Region am Rhein, zwischen Bonn und Duisburg, muss näher zusammenrücken, da halte ich ganz am Kurs meines Vorgängers Udo Siepmann fest.

Zunächst zum Stadtmarketing. Köln hat den Dom. Und Düsseldorf?

Berghausen Düsseldorf braucht jedenfalls keine architektonische Landmarke (lacht). Denn Düsseldorf hat architektonisch bewiesen, dass die Stadt weiß, worauf es ankommt. Bei meinen vielen Besuchen in der Landeshauptstadt habe ich hautnah verfolgen können, wie der Kö-Bogen entstanden ist, der Tausendfüßler verschwand. Andere Städte können Düsseldorf um diese geschickte Planung beneiden.

Sie waren bereits einmal Mitarbeiter der IHK Düsseldorf. Damals saßen Sie in der fünften Etage, jetzt ist es die elfte. Was ist das Ziel Ihrer Amtszeit?

Berghausen Wenig überraschend die Weiterentwicklung der Wirtschaft. Eine der Säulen dieser Weiterentwicklung ist zweifelsfrei die Digitalisierung. Damit ist ja nicht nur gemeint, wie große Telekommunikationskonzerne, etwa Vodafone, vorgehen. Es geht darum, wie mittelständische Unternehmen mit der Digitalisierung umgehen.

Wie steht der Mittelstand diesbezüglich da?

Berghausen Laut unseren Umfragen wissen 80 bis 90 Prozent der Mittelständler, dass sie etwas tun müssen. Viele aber schieben diese Herausforderung vor sich her. Die Digitalisierung funktioniert in Firmen stets von oben nach unten. Die Sensibilisierung dafür ist gegeben, an der Umsetzung hapert es mancherorts hingegen noch.

Was ist eine andere Baustelle?

Berghausen Die zweite Säule ist die Fachkräftesicherung. Wir denken hier in Düsseldorf nur zu oft "die Stadt wächst ja, diese Sorge haben wir nicht". Aber das ist verkehrt. Die Stadt lebt auch von Einpendlern aus dem Umland, und dort ist der demografische Wandel bereits durch einen Bevölkerungsrückgang bei der jungen Bevölkerung spürbar.

Wie äußert sich das?

Berghausen Schon heute suchen weniger Jugendliche von außerhalb ihren Ausbildungsplatz in Düsseldorf. Dieser Trend wird sich verstärken. Denn es gibt auch andere wirtschaftsstarke Regionen in NRW, und die schlafen auch nicht. Auch in Ostwestfalen gibt es eine Menge erfolgreicher "Hidden Champions" im Mittelstand. Was wir ebenfalls nicht vergessen sollten: Das Rheinland steht vor allem bei den Hochqualifizierten auch im Wettbewerb mit starken und attraktiven Regionen wie München.

Wie können wir attraktiver werden?

Berghausen Wir müssen aktiv Marketing für den Standort machen. Eine Chance wäre es, qualifizierte Auslandsstudenten zum Bleiben in Düsseldorf nach dem Studium zu bewegen. Außerdem müssen wir den Start-up-Standort stärken. Diese jungen Unternehmen sind attraktiv für junge Leute.

Das Thema Start-up ist in Düsseldorf in aller Munde, auch weil Oberbürgermeister Thomas Geisel die Förderung der digitalen Gründer lautstark propagiert. Wird dabei die Industrie vergessen? Daimler, Vallourec und SMS etwa bauen Stellen im dreistelligen Bereich ab.

Berghausen Nein. Die Industrie spielt weiter eine herausragende Rolle in Düsseldorf, auch wenn die Zahl der Arbeitsplätze im vergangenen Jahrzehnt gesunken ist. Sie ist und bleibt das Rückgrat der Düsseldorfer Wirtschaft. Der Masterplan Industrie zwischen Politik, Verwaltung und der IHK ist der richtige Weg.

Das sagen alle. Aber was konkret kann der Masterplan bringen? Nach dem er mit viel Tamtam vorgestellt wurde, ist es eher still geworden...

Berghausen Das sehe ich nicht so. Ein ganz wichtiges Ziel ist und bleibt, Flächen für die Industrie vorzuhalten. Ausgewiesene Gewerbeflächen dürfen trotz knappen Wohnraums nicht in Wohnflächen umgewandelt werden. So etwas erodiert die industrielle Basis. Nicht nur für die großen, auch für mittelständische Unternehmen sind Flächen das A und O. Die IHK wird weiter genau hinsehen, wenn es Bestrebungen geben sollte, Industrieareale umwandeln zu wollen.

Sind Sie dem Ziel näher gekommen, in Düsseldorf die Akzeptanz der Industrie zu erhöhen?

Berghausen Es hat sicherlich einen Wahrnehmungswechsel gegeben. Allerdings gibt es immer noch ein Akzeptanzproblem bei infrastrukturellen Großprojekten. Doch ob Flughafen oder Reisholzer Hafen: Am Ende ist alles eine Frage der Kommunikation. Transparenz geht dabei immer auch ein Stück weit zulasten der Planungsgeschwindigkeit. Im Übrigen: Gerade gibt es eine große Zustimmung zum Neubau der Leverkusener Rheinbrücke. Ich bin gespannt, ob das so bleibt, wenn die ersten Kräne anrücken.

In Ihrem Kammerbezirk gibt es erhebliche Unterschiede bei der Höhe der Gewerbesteuer. Düsseldorf hat hohe Sätze, Monheim etwa wirbt mit sehr, sehr niedrigen Steuern um Firmen. Ist das für die Region kontraproduktiv?

Berghausen Ich weiß, dass man das zumindest kritisch hinterfragen sollte. Ein Argument ist, dass Monheim mit seinen niedrigen Steuersätzen im Wettbewerb mit Irland oder Holland mithalten will. Unter diesem Gesichtspunkt darf man das jedoch nicht nur regional betrachten, denn im europäischen Vergleich liegt Monheim auch mit seinen niedrigen Sätzen nur im Mittelfeld.

Herr Berghausen, Sie sind bekennender Karnevalist in Ihrer Heimat Köln-Porz. Welche Ämter bekleiden Sie dort oder hatten Sie inne?

Berghausen Ich war 15 Jahre lang Karnevalspräsident und in Porz auch im Festausschuss, habe den Veedelszoch mit organisiert. Das hat viel Freude gemacht, aber irgendwann kam dabei die Familie zu kurz. Dieses Jahr werde ich mir aber den Rosenmontagszug in Düsseldorf anschauen.

Wahrscheinlich weil Ihr Porzer Karnevalszug als Veedelszoch in Köln ohnehin am Sonntag ist. Werden Sie denn jetzt nach Düsseldorf ziehen?

Berghausen (lacht) Klar ist der Veedelszoch am Sonntag. Ich habe mir ein Appartement in Pempelfort gemietet. Aber meine Familie und ich leben erst einmal weiterhin in Köln. Man muss schließlich nicht gleich Job und Lebensmittelpunkt einer fünfköpfigen Familie auf einmal wechseln.

THORSTEN BREITKOPF UND UWE-JENS RUHNAU FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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