Düsseldorf Im Notfall nicht allein

Düsseldorf · Sie ist da, wenn es am schlimmsten ist: Seelsorgerin Sylvia Schleuter betreut Menschen nach traumatischen Erlebnissen.

 Sylvia Schleuter (r.) und Alexandra Wilhelm arbeiten für die ökumenische Notfallseelsorge Düsseldorf.

Sylvia Schleuter (r.) und Alexandra Wilhelm arbeiten für die ökumenische Notfallseelsorge Düsseldorf.

Foto: ANDREAS BRETZ

Wenn der kleine schwarze Funkempfänger am Hosenbund anfängt zu vibrieren und piepen, genügt Sylvia Schleuter ein Blick auf das unscheinbare Gerät, um bei ihr sämtliche Alarmglocken zu aktivieren. Denn: Wenn sie zum Einsatz gerufen wird, muss es schnell gehen. Der plötzliche Tod eines Familienmitgliedes, tödliche Verkehrsunfälle oder Suizid einer jungen Frau: Als eine von 40 Seelsorger der ökumenischen Notfallseelsorge Düsseldorf betreut Schleuter Menschen bei traumatischen Erlebnissen und leistet Erste Hilfe für die Seele.

Sie begleitet zum Beispiel Polizisten, die eine Todesnachricht überbringen müssen. "Wir bleiben, wenn alle anderen gegangen sind", sagt Schleuter. "Wir gehen nicht eher weg, bis wir die Leute in guten Händen wissen", stimmt Alexandra Wilhelm, ebenfalls Ehrenamtliche in der Notfallseelsorge, zu. Denn: Oftmals ist nicht nur eine körperliche Erste Hilfe notwendig, sondern auch eine seelische Betreuung.

"Jeder einzelne Einsatz berührt mich auf besondere Weise", sagt Schleuter. Auch nach vier Jahren in der Seelsorge sei kein Notfall wie der andere. "Wir gehen als Menschen in die Einsätze, daher kommt man auch an seine Grenzen", sagt sie. Trotzdem sei die Notfallseelsorge eine Herzensangelegenheit.

"Ein klarer Blick für die Situation, Ruhe und Zeit", beschreibt Schleuter ihre Herangehensweise an die Einsätze. Nach der Erstbetreuung überprüfe sie meist, ob die eigenen Kräfte der Betroffenen zur Bewältigung reichen oder ob es ein tragfähiges Umfeld gebe - eine Patentlösung und Routine existiere jedoch nicht. Die Seelsorger haben aber auch eine erklärende Funktion: "Mit dem Rettungsdienst, Kripo und Bestatter sind bei einem häuslichen Todesfall oftmals mehr als zehn Personen im Haus. Wir erläutern den Betroffenen die Situation", sagt Schleuter. Das Überbringen von Todesnachrichten, von denen Menschen nichts wissen, bleibt für beide Ehrenamtler dennoch die größte Herausforderung.

Damit die Notfallseelsorger die traumatischen Szenen verarbeiten können, gibt es eine Psychohygiene, bei der die Einsätze gemeinsam aufgearbeitet werden. "Unsere Mitarbeiter leisten - entgegen des Impulses vor Traurigkeit wegzulaufen - Unglaubliches. Daher ist es selbstverständlich, dass wir eine Aufarbeitung anbieten", sagt Olaf Schaper, der die Notfallseelsorge hauptamtlich betreut. Über 250 Einsätze hatten die Seelsorger im vergangenen Jahr. Dabei sind sie meist zu zweit unterwegs. Bei besonders dramatischen Einsätzen, wie dem tödlichen Unfall der Schülerin in Wittlaer, sogar in einem noch größeren Team. Daher seien sie stetig auf der Suche nach neuen Ehrenamtlern, sagt Schaper. Bisher können sich nur Angehörige der evangelischen, katholischen oder einer anderen dem Arbeitskreis Christlicher Kirchen (ACK) zugehörigen Kirche bewerben. Schaper: "Wir planen Kooperationen mit Notfallbegleitern anderer Religionsgemeinschaften."

(RP)
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