Anwohner klagen gegen die Stadt Stadt und Anwohner zur Einigung zum "Hitler-Asphalt"

Düsseldorf · Einigen Düsseldorfer Hausbesitzern ist ein Gebührenbescheid für eine Fahrbahndecke aus der NS-Zeit ins Haus geflattert. Zu Recht, sagt das Verwaltungsgericht.

 Anwohner müssen für eine Straße aus dem Jahr 1937 zahlen.

Anwohner müssen für eine Straße aus dem Jahr 1937 zahlen.

Foto: dpa, mg fpt

"Damit hatten wir nicht gerechnet", bekennt Lothar Otto (56) auf dem Flur des altehrwürdigen Düsseldorfer Verwaltungsgerichts. 2005 hatte er im Düsseldorfer Süden mit seiner Frau ein Haus gebaut. Die Straße existierte damals bereits seit vielen Jahrzehnten, die meisten umliegenden Wohnhäuser stammten aus den 1950er und 1960er Jahren. Umso erstaunter sind die Zugezogenen, die selbst Verwaltungsbeamte sind, als ihnen 2013 ein Gebührenbescheid ins Haus flattert: Sie sollen Erschließungsgebühren zahlen, ganz so, als ob sie in einem Neubaugebiet gebaut hätten — Beträge je nach Grundstück zwischen 8400 und 14.000 Euro.

In dem Bescheid sind auch die Kosten für die Fahrbahndecke enthalten, die während der NS-Zeit 1937 aufgetragen worden war. Die Reichsmark sind in Euro umgerechnet, die Inflationsrate berücksichtigt. Mit 14-000 Euro schlägt der Posten zu Buche. Städtische Grundstücke sind von der Umlage ausgenommen. Die Anwohner ziehen vor Gericht.

Doch am Donnerstag erklärt ihnen der Vorsitzende Richter Stephan Barden, dass die Bescheide weitgehend rechtmäßig seien. 1937 wurde die Fahrbahn aufgetragen, 1956 kam die Straßenbeleuchtung dazu, 1976 der Kanal. 2009 und 2010 wurden Gehwege gebaut und Grünstreifen angelegt. Erst mit dem Bau der Bürgersteige sei die 1937 begonnene Erschließung des Straßenabschnitts — über 70 Jahre später — beendet worden.

"Heute würde man das nicht mehr so machen, sondern in einem Zug", räumt Richter Barden ein. Dennoch: Die Stadt sei nach Ende der Erschließung sogar verpflichtet, die Beiträge zu erheben. "Wenn fertig ist, muss abgerechnet werden." Pech für die Zugezogenen: Die Erschließung darf Jahrzehnte dauern. Während dieser Zeit gebe es "keine Verjährung, keine Verwirkung und keinen Vertrauensschutz".

Um auszuschließen, dass es sich vielleicht um eine alte preußische Straße handelt, "hat die Kammer geprüft, ob das preußische Fluchtliniengesetz von 1875 Anwendung finden muss". In alten Akten von 1935 sei immerhin von einem Fluchtlinienplan die Rede. Fakt sei aber: Selbst wenn es schon mehr als einen Trampelpfad gab - die befestigten Gehwege fehlten schon zu Preußens Zeiten.

Die städtischen Grundstücke seien zudem zu Recht ausgeklammert worden. Das Gericht führt dabei einen juristischen Grundsatz von bestechender Logik ins Feld: "Erschließungsanlagen können sich nicht gegenseitig erschließen." Außerdem gelte die Erschließung natürlich nur für Anlieger- nicht für Hinterlieger-Grundstücke, erfährt die interessierte Öffentlichkeit.

Ein dickes Trostpflaster hält das Gericht den Anwohnern dennoch parat: den Grundsatz der "einseitigen Anbaubarkeit". Meint: Wo nur eine Straßenseite mit Häusern bebaut werden darf, darf auch nur ein Gehweg in Rechnung gestellt werden. Dadurch verringert sich die Gesamtsumme um fast 30.000 Euro — immerhin doppelt so viel wie für den "Hitler-Asphalt".

Die per Taschenrechner im Gerichtssaal neu berechneten Gebührenbescheide fallen somit deutlich geringer aus. Die Anwohner, die bereits die Gebühren bezahlen mussten, erhalten nun einen Teil zurück. Und so scheint nach zweistündiger Verhandlung in der Straße Auf'm Rott der Rechtsfrieden eingekehrt — die Kläger ziehen ihre Klagen zurück: "Wenn es so ist, dann ist es halt so."

(heif/lnw)
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