Düsseldorf Himmel un Ähd

Düsseldorf · Es gibt zahlreiche Interpretationen des rheinischen Traditionsgerichts - von normal über edel bis hin zu abgedreht.

 Ziemlich abgedreht ist die japanisch-rheinische Version von Himmel un Ähd. Murat Avicoglou drapiert die Komponenten übereinander.

Ziemlich abgedreht ist die japanisch-rheinische Version von Himmel un Ähd. Murat Avicoglou drapiert die Komponenten übereinander.

Foto: ANdreas Endermann

Kaum ein rheinisches Rezept polarisiert so wie Himmel un Ähd. Man mag es oder man hasst es. Und es gibt zahlreiche Interpretationen. Das fängt schon bei der Schreibweise an: Himmel und Erde, also Äpfel und Erdäpfel, sprich Kartoffeln, bilden das Gericht. Aber wie schreibt man die Kartoffeln auf Platt: Ähd, Äd, Ääd? Für Monika Voss, Düsseldorfer Mundart-Expertin, steht es ganz eindeutig fest: In Düsseldorf heißt es Ähd. Sprachwissenschaftlich betrachtet, wird ein nicht gesprochenes R durch ein H ersetzt.

Aber was wären Himmel un Ähd ohne Flöns. Die gehört in Düsseldorf dazu wie das Glas Altbier. Wer mag, kann auch noch ein paar Ölk (Zwiebeln) beigeben, und fertig ist Himmel un Ähd - vom Grundsatz her ein vegetarisches Gericht, weil es ja nur aus Kartoffeln und Äpfeln besteht. Stampfkartoffeln oder Kartoffelpüree? Apfelmus oder Apfelscheiben? Das sind Philosophien, an denen sich die Geister scheiden. Es gibt sogar die Variation, alles untereinander zu mischen. Wer's mag.

Kaum ein Düsseldorfer Brauhaus, das nicht Himmel und Ähd anbietet. Uns gefällt die Variation von Kürzer in der Altstadt am besten. Der Hausbrauer interpretiert das Gericht modern, indem der Küchenchef die Apfelscheiben karamellisiert - lecker. Dieses Wort sei in diesem Zusammenhang ausnahmsweise einmal erlaubt (9,20 Euro).

Himmel und Erde nennt der französische Sternekoch Jean-Claude Bourgueil sein Rezept. Der Patron aus dem Kaiserswerther Schiffchen hätte es niemals "Pommes et Pommes de Terres" nennen können, schließlich steht sein Rezept in seinem Kochbuch "Typisch Deutsch". Wie es sich für einen Sternekoch gehört, serviert er nicht einfach Apfelmus und Kapü. Und es gibt auch keine Blutwurst, sondern feine Gänseleber. Die legt er aufs Kartoffelpüree, das er mit sehr viel Butter (ein halbes Pfund auf ein Kilo Kartoffeln) und etwas Olivenöl sowie fast einem halben Liter Milch zubereitet. Der Maître platziert die Apfelscheiben nicht daneben, nein, er schneidet sie hauchdünn und legt sie zu einer Rosette zusammen. Optisch ein wahres Kunstwerk, das auch noch vorzüglich schmeckt, zumal Bourgueil die feinen Apfelscheiben noch mit etwas Zucker bestreut, damit sie karamellisieren. Also ähnlich wie bei Kürzer, nur edler...

Ziemlich abgedreht ist die Variation, die Murat Avicoglou, Küchenchef des D'Vine, kreiert. Er nennt sie auch "Düsseldorf trifft Tokio". Denn Avicoglou liebt die japanische Küche. So kam er auf die Idee, traditionell Rheinisches mit dem Land der aufgehenden Sonne zu verbinden. Seine Interpretation besteht aus Blutwurst, Alge, Sauerkraut, Pflaume und einem frittierten Zwiebelring, der wie ein Donut aussieht. Nun ja, gesteht er, Kartoffeln seien im Gericht eigentlich nicht vorhanden. Die Süße holt er nicht von den Äpfeln, sondern vom Pflaumenmus. Eine Kombination, bei der man erst einmal schlucken muss, zumal Sauerkraut und Algen zunächst zweifeln lassen. Das Ganze ist pyramidenförmig drapiert und beim Probieren spricht das Gericht Geschmacks- und Tastsinne an: süß und sauer, salzig, knusprig und weich - alles mit einem Biss. Vielleicht nicht jedermanns Sache. Denn an Himmel un Ähd scheiden sich bekanntlich die Geschmäcker.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort